Auf Einladung # 08 – "Halt! Die Pappe"

Unter dem Titel "Halt! Die Pappe" hat die Kuratorin der Ausstellung Franziska Stiegholzer aus Nenzing vornehmlich Arbeiten, meist dreidimensionale, aus Papier und Pappe von 5 Künstler:innen ausgesucht. Es ist die Achte von insgesamt fünfzehn Ausstellungen mit dem Obertitel "Auf Einladung" in denen ausschließlich Künstler:innen aus Vorarlberg im Quadrart Dornbirn gezeigt werden.

Papier, Pappe, Kartonagen und deren professionelle Bearbeitung begegnen uns alltäglich in den unterschiedlichsten Ausführungen. Sie überzeugen durch ihre Wirkung und ihre sehr differenzierten Aussagen so u.a. als Werbeträger, Verpackungsmaterial, Pappbecher, im Modellbau, als Dachpappe, Bierdeckel, Bucheinband und sogar im Haus- und Möbelbau. Die an der Show beteiligten Künstler:innen nutzen das Material durch die Auflösung der ursprünglichen Nutzung jedoch experimentell und schaffen damit überraschende und neue Spannungsfelder, die dem Werkstoff eine andere, bisher nicht gekannte Wertigkeit geben.

Das Material Papier ist schon lange das Ausgangsmaterial für die Arbeiten von der in Höchst lebenden Künstlerin Cornelia Blum-Satler. Oft sind es Collagen aus Papierstücken, dem Alltag entrissen, genäht und geklebt auf Papier. Für gewisse Arbeiten spinnt sie dafür selbst die Papierschnüre am Spinnrad. Diesmal verwendet sie gesponnenes Papiergarn aus Finnland um ihrer Arbeit "Nest", bestehend aus 12 gehäkelten, in verschiedenen Grüntönen gehaltenen Nester in Form zu bringen. Das Material sträubt sich und ist nicht ganz so leicht zu verarbeiten, vergleichbar mit den Vögeln in der Natur, wenn sie emsig und kunstvoll für ihren Nachwuchs ihre Brutstätten bauen.
Frei hängend bespielen sie den Raum, eine Ecke, so als würden sie der Natur entnommen und in den Raum versetzt. Durch die Zwischenräume schimmert das Licht, leicht und fragil durch die feinen Öffnungen.
Nest, Nistplatz, Schutzraum, geborgen, Artenvielfalt, bedroht - nur einige Begriffe für unser sensibles Ökosystem.
Das 80x80 cm große Bild "Die Farbe des Frühlings" erstrahlt in einem fast monochromen hellgrün, ruhig und doch in sich bewegt, ergibt sich wie ein Schimmer der mit dem Licht spielt auf der Oberfläche. Das aufkaschierte Papier wird mit Papierschnüren umspannt und mit ganz feinem Papiergarn an einigen Stellen verwebt, vielleicht ein kleiner Verweis an die Ausbildung der Künstlerin als Weberin.

Eine Mappe aus Karton, die auf die Anfänge der Artenne Nenzing zurück geht um gesammelte Blätter und Skizzen Vorarlberger Künstler aufzubewahren, wurde zu einem Schlüsselerlebnis, das bereits 30 Jahre zurück liegt. Wie ein roter Faden zieht sich Karton und Wellpappe durch das Werk von Alois Galehr. Es entstehen Skulpturen, Collagen aber auch das Bühnenbild zu "Refugium Karton".
Das 2005 entstandene Buch "Alois Galehr / Bananorama" zeigt einen Einblick in die Welt diese spröden Materials und dessen Transformation. "Die Ästhetik des Banalen", wie es Karlheinz Pichler in diesem Buch umschreibt, verweist auf seinen Blick auf diese alltäglichen Dinge, die sich nach einmaligem Gebrauch meist auf dem Weg zum Recycling oder in die Mülldeponie befinden. Genau hier greift Galehr in das Geschehen ein, sammelt und hortet diesen Werkstoff um später seine Ideen zu übersetzten, sie poetisch zu transformieren. Nebst Bananorama Bildern wird die Skulptur "Verdrehte" gezeigt, eine 230 cm hohe Schichtung unzähliger farbiger Schachtelböden. Gleich einer DNA Spirale und stufenartigem Aufbau gewährt uns Galehr einen Einblick in die pralle Welt seines Refugiums Karton.

Die in Feldkirch lebende dänische Künstlerin May-Britt Nyberg verwendet weggeworfene Kartons als Bildträger für narrative, zeichenhafte Bildgeschichten. Sie grundiert die Kartons und ritzt dann spontan mit einem spitzen Holzstift in die noch nasse darüber gelegte Acryl-Farbschicht Alltagsszenerien aus der Tier- und Pflanzenwelt ein. Eine Vorgangsweise, wie man sie von der Sgraffito-Technik her kennt.
Im Schaffen von Nyberg ist diese Methodik zwar nicht neu. Auch bei älteren Acryl-auf-Leinwand-Bildern hat sie immer wieder Texturen in die noch nasse Farbe gleichsam eingraviert. Neu ist aber, dass dieses Verfahren zum tragenden Element der Bildsetzung wird.
Die nun entstandenen Sgraffito-Arbeiten wirken überaus fragil und erinnern ein wenig an Kinder- oder alte Höhlenzeichnungen. Nyberg fängt trotz der Einfachheit der Darstellung die tiefe und enge Beziehung des Menschen zum Tier und zur Umwelt in all ihrer Widersprüchlichkeit ein. Die Sgraffitos sind auch ein Spiel mit der Wahrnehmung: Tiere, von der Katze bis zum Huhn, vom Hund bis zum Fisch oder Kuh, und aber auch Garten- und Gemüsepflanzen sind linear rein auf die Umrisse reduziert. Es sind einfache formale Linien, die bei der Betrachterschaft einen Schub von Assoziationen auslösen.
Die von Verbrauchsspuren geprägten Kartons wirken in gewissem Sinne wie Bühnen, auf denen die alltäglichen Geschichten rund um Tiere oder Pflanzen Raum greifen. Die wie Filmszenen ablaufenden Stories sind der unmittelbaren Umgebung der Künstlerin entnommen.

Industriell hergestellte Papiergarne aus Finnland sowie die dortige Design- und Kunstszene waren der Anlass für Dorothea Rosenstock nach Helsinki auszuwandern.
Das textiluntypische Material wird am Handwebstuhl zu Geweben und Objekten verarbeitet. Rohfarbig oder gebleicht, aber auch in einem breiten Farbspektrum gefärbt, ist es Material und Inspiration ihrer künstlerischen Tätigkeit seit mehr als 20 Jahren.
Am Webstuhl in der Ateliergemeinschaft in Bludenz entstehen zunächst Experimente und Materialskizzen.
Inzwischen hat sich Dorotheas Archiv zu einer beachtlichen Sammlung aus Papiergewebemustern gemausert. Von überraschend feinen, bis sehr robusten Geweben, von changierenden Farbmischungen oder lebendigen Strukturen ist eine Vielfalt zu entdecken.
Anwendungsbeispiele für Papiergewebe gibt es zahlreiche.
Einige Prototypen wurden bereits realisiert, und in der Anwendung getestet. Darunter sind zum Beispiel ein Polstersessel, eine Leuchte oder ein Rucksack, jeweils in Zusammenarbeit mit jeweiligen Fachleuten.
Besonders in der aktuellen Diskussion um Nachhaltigkeit und Kreislauffähigkeit ist sein Potential ist noch längst nicht erschöpft und neue Anwendungsideen gefragt. Nicht zuletzt als Material in der Kunst von Dorothea Rosenstock hat sich Papiergarn bewährt.

Material als solches, in unterschiedlichsten Ausführungen ist schon immer Ausgangspunkt der in Wien geborenen und seit 2008 in Nenzing lebenden Künstlerin Franziska Stiegholzer. Das Material – gefunden, gebraucht oder lange gelagert, bekommt eine neue Wertigkeit und lässt den Betrachter in ein neues Spannungsfeld eintauchen. Ob Dichtungsmaterial verknüpft oder Schindeln miwels Kabelbindern verbunden, schafft es Franziska Stiegholzer immer wieder neue Spannungsfelder zu schaffen. In der derzeitigen Ausstellung zeigt die in Wien an der Akademie der bildenden Künste studierten Bildhauerin, Kar-Ton in Form keramischer Fragmente.
Kartonagen, begegnen uns alltäglich in den unterschiedlichsten Ausführungen. Für Franziska Stiegholzer, eine Faszination, aus dieser Vielfalt eine neue Zuordnung zu schaffen, die ursprüngliche Nutzung aufzulösen und durch Keramik zu ersetzten. Das fragile und starre Material schafft dadurch eine neue Blickachse. Im Prozess liegt die Faszination für die Künstlerin das Ausgangsmaterial zu verändern, aufzulösen und umzuformen und diese neue Form als Keramik zu konservieren. Die Objekte neu zugeordnet und aus seinem ursprünglichem Kontext genommen, soll der Betrachter unsere kostbaren Ressourcen neu denken.

Auf Einladung # 08 – „Halt! Die Pappe“
Kuratorin: Franziska Stiegholzer, Nenzing
18. Juni bis 9. September 2023
Vernissage Samstag 17. Juni 2023, 17 Uhr

Veranstaltung: 9. September, Samstag - 17 Uhr
Finissage mit einer Führung der beteiligten Künstler:Innen durch die Ausstellung
Öffnungszeiten: bis 12. Juli 2023 Do-Sa von 17 bis 19 Uhr, danach bis 8. September 2023 NTV