Amazons of Pop! Künstlerinnen, Superheldinnen, Ikonen 1961-1973

Amazonen stehen seit der griechischen Antike für unerschrockene Kriegerinnen, die den Männern im Kampf ebenbürtig sind und entschieden für die eigenen Rechte eintreten. In den 1960er Jahren sind die Amazonen des Pop solche mutigen Kämpferinnen - allerdings mit den Mitteln der Kunst.

Ihre Überzeugungen, Wünsche und Forderungen zeigen sich in einer künstlerischen Vielfalt: farbgewaltig, humorvoll, sinnlich, politisch, grenzüberschreitend. Sie setzen sich für Selbstbestimmtheit, Frieden und Gleichberechtigung ein. Wie ihre männlichen Künstlerkollegen greifen sie Strategien der (Selbst-)Vermarktung auf- die massenhafte Verbreitung von Waren und Bildern aus der Unterhaltungskultur ebenso wie die Bedeutung der Medien in der westlichen Konsumgesellschaft. Sie untersuchen die von Männern für Frauen erdachten Rollenbilder, die im Hollywoodfilm, in Comics, in der Werbung, aber auch in der Kunst der Pop-Art Verbreitung finden. Unter dem Eindruck großer politischer und sozialer Krisen in der Zeit des Kalten Krieges, breiter gesellschaftlicher Bewegungen für Bürgerrechte, Frauenrechte und den globalen Frieden kämpfen die Amazonen mit künstlerischen Mitteln für eine bessere, gewaltfreie Zukunft.

Grellbunte Farben, Plastik und PVC, reduzierte Formen, triviale und gleichermaßen fetischisierte Motive aus Konsum und Werbung, Massenmedien und Comics, sexuell freizügige Zurschaustellung von Weiblichkeit - das ist Pop-Art bekanntermaßen. Sie kann aber auch anders: zornig, verwegen, rebellisch, offen erotisch, subversiv ironisch wie konfrontativ, einladend und aktivistisch. Selbstbewusst und ausdrucksstark formen die Pop-Art-Künstlerinnen von Anfang an diese lange von Männern dominierte Kunstrichtung. Die Ausstellung "Amazons of Pop!" fordert den tradierten kunsthistorischen Kanon dessen heraus, was allgemein als Pop-Art firmiert. Als feministische Vorkämpferinnen hinterfragen Pop-Art-Künstlerinnen mit viel „Vroom, Bang, Ka-Pow! und Wham!“ die tradierte Rolle der Frau und Muse. Sie arbeiten autobiografisch, oft gattungsübergreifend sowie in verschiedenen Medien, verbinden die plakative Ästhetik einer schönen neuen Warenwelt mit dem selbstbewussten Aneignen der neuen künstlichen Materialien und Techniken und verbinden sie mit Performance ebenso wie mit textiler oder papierener Handarbeit - kunstgeschichtlich lange als „Low Art“ oder Nicht-Kunst eingestuft. Ohne Scheu eignen sich Künstlerinnen ab den frühen 1960erJahren das breite Repertoire eines großstädtischen, konsumorientierten und medial reproduzierten Aufbruchs an, um diesen auf unterschiedliche Art und Weise herauszufordern und ganz eigene Positionen darin einzunehmen: demonstrativ sowohl die Sprache der Kunst wie jene der Werbung appropiierend wie Sturtevant oder Rosler, durch die Zurschaustellung von Nacktheit und Sexualität offen provokativ wie Dorothy Iannone und Evelyne Axell, durch demonstrative Selbstinszenierung wie Valie Export oder wütend und explosiv wie Niki de Saint Phalle.

Die Ausstellung, initiiert vom MAMAC in Nizza und zuvor in der Kunsthalle zu Kiel zu sehen, verankert Pop-Art in Europa, betrachtet die Verbindungen zur nordamerikanischen Strömung, insbesondere in New York, und nimmt im Kunsthaus Graz zusätzlich österreichische Pop-Art-Tendenzen auf. Während die amerikanische Wirtschaft prosperiert und es in den US-Metropolen glitzert und blinkt, zeigt sich Wien eher dunkel und schmutzig, kämpft mit den Folgen des Zweiten Weltkrieges. Die euphorische Pop-Art manifestiert sich in der Österreichischen Kunst bis 1973 rudimentär und am Rande, zuweilen unterschwellig — etwa in den schwerelosen und verflachten Körpersilhouetten von Kiki Kogelnik, den gleichermaßen erotisch-träumerischen wie brutalen Holzschnitten von Auguste Kronheim, den fragmentierten und re-arrangierten Werbebildern und abstrakten Kompositionen von Ingeborg G. Pluhar oder den parasitären Projekten von Angela Hareiter, die sich mit ihren experimentellen Architekturansätzen an der Schnittstelle zur Kunst bewegen.

Die Ausstellung zeigt entlang von inhaltlichen Schwerpunkten (von "Fly me to the moon" bis "Give peace a chance!") umfangreich, wie vielschichtig und heterogen der weibliche Beitrag zur Geschichte der Pop-Art ist und integriert auch konzeptuelle, aktivistische sowie performative Ansätze. Im Kunsthaus Graz nutzt die Ausstellungsgestaltung eine innere Verwandtschaft zur Herkunft der Blob-Architektur und lädt mit rund 120 Werken von etwa 40 Künstlerinnen, Superheldinnen und Ikonen aus unterschiedlichen Medien wie Malerei, Installation, Performance, Skulptur und Film dazu ein, in die weibliche Welt des Pop und in eine Zeitspanne sozialer, technischer und politischer Umbrüche einzutauchen. Damit schließt sie sich der sukzessiven Anerkennung und öffentlichen Wahrnehmung von Pop-Art-Künstlerinnen sowie einer Aufarbeitung und Neubewertung tradierter Kunstgeschichte — wie sie in Ausstellungen wie "Power up - Female Pop Art" in der Kunsthalle Wien 2010 begann - an und denkt diese konsequent weiter.

Mit Werken von Evelyne Axell, Barbarella, Brigitte Bardot, Marion Baruch, Pauline Boty, Martine Canneel, Lourdes Castro, Judy Chicago, Chryssa, France Cristini, Christa Dichgans, VALIE EXPORT, Jane Fonda, Ruth Francken, Angela Garcia, Angela Hareiter, Jann Haworth, Dorothy lannone, Jodelle & Pravda La Survireuse, Corita Kent, Kiki Kogelnik, Auguste Kronheim, Kay Kurt, Nicola L., Ketty La Rocca, Natalia LL, Milvia Maglione, Lucia Marcucci, Marie Menken, Marilyn Monroe, Isabel Oliver, Yoko Ono, Ulrike Ottinger, Emma Peel, Ingeborg ©. Pluhar, Martha Rosler, Niki de Saint Phalle, Carolee Schneemann, Marjorie Strider, Sturtevant, Valentina Tereshkova, May Wilson.

Amazons of Pop! Künstlerinnen, Superheldinnen, Ikonen 1961-1973
Bis 28. August 2022