Allein gegen die Mafia

10. Januar 2011 Kurt Bracharz
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Wahrscheinlich hat Papst Benedikt XVI. am 30. Dezember 2010 die bedeutendste Maßnahme seines Pontifikats gesetzt und vielleicht sogar eine historische Entscheidung getroffen, als er das Dekret über das Gesetz 127 unterzeichnete. Es unterwirft die vatikanischen Finanzinstitute den Regeln der EU und der OECD hinsichtlich Kapitalverkehr und Geldwäsche – zumindest auf dem Papier.

Bisher war nicht einmal das der Fall. Das Istituto per Opere di Religione (IOR), die Vatikanbank, die eher eine Treuhandgesellschaft als eine Bank ist, sollte zuletzt auf Anweisung des Papstes Johannes Paul I. reformiert werden, der diese Absicht zu Beginn seines Pontifikats erklärte, aber nach 33 Tagen überraschend verstarb.

Das IOR zahlt keine Steuern auf die Dividenden, die Kontoinhaber müssen die Zinsen nicht versteuern, und Auskunftsersuchen anderer Staaten (einschließlich Italiens) müssen von Richtern angeordnet und per Rechtshilfeansuchen durch das Außenministerium übermittelt werden; einem solchen Rechtshilfeansuchen wurde bisher niemals zugestimmt. Gemäß Konkordat von 1929 genoss das Führungspersonal des IOR ebenso wie alle anderen Personen aus zentralen Einrichtungen des Heiligen Stuhls vollständige Immunität.

Letztere nützte vor allem dem IOR-Chef von 1971 bis 1989, Erzbischof Paul Marcinkus (*1922 in Chicago, Illinois, † 2006 in Sun City, Arizona), einer zentralen Figur in den Skandalen jener Jahre um Sindona, Calvi, Gelli, Andreotti, der Geheimloge P2, der italienischen und amerikanischen Mafia und eben dem "Institut für Werke der Religion". Die nächsten Skandale in den 1990er Jahren ereigneten sich unter Marcinkus’ Nachfolger Donato de Bonis und führten wenigstens zur Aufhebung des Immunitätsschutzes für den jeweiligen Bankier Gottes.

Benedikt XVI. berief 2008 den Finanzethikprofessor und Bankier der spanischen Santander-Bank Ettore Gotti Tedeschi zum IOR-Chef und scheint mittels einer "autonomen" Aufsichtsbehörde auch weiter aufräumen zu wollen. Dazu kann man ihm nur viel Glück wünschen.