62. Berlinale: Kriegsdramen von Angelina Jolie und Zhang Yimou

Es hätte schlimmer kommen können – aber ein guter Film ist Angelina Jolies Regiedebüt "In the Land of Blood and Honey" dennoch nicht geworden. Ist aber das Engagement Jolies bei ihrem Bosnienkriegsdrama spürbar, so ertrinkt Zhang Yimous "The Flowers of War", in dem der Chinese von heldenhafter Menschlichkeit während des Nanking-Massakers 1937 erzählt, in Kitsch.

Während im Wettbewerb um den Goldenen Bären kleine Arthouse-Filme dominieren, laufen die Großproduktionen außer Konkurrenz. Groß war der Andrang bei der Pressekonferenz von Angelina Jolie, noch größer anschließend vor dem Hyatt Hotel das Gedränge der Fans, die erhofften einen Blick auf den abfahrenden Superstar zu erhaschen, eventuell sogar einen Schnappschuss machen zu können.

Würde es sich bei "In the Land of Blood and Honey" aber nicht um das Debüt eines Stars handeln, würde man wohl kaum so viel Aufsehen darum machen. Nicht des Filmes wegen, sondern des Glamours den Jolie an die Spree bringt, hat man diesen Film wohl ins Berlinale Programm gehievt. Im "Berlinale Special", das für so ziemlich alles und das Gegensätzlichste offen ist, hat man dafür ein Plätzchen gefunden.

Jolie kommt ohne lange Exposition zur Sache: Ein Paar tanzt im Bosnien des Jahres 1992 verliebt in einer Disko. Plötzlich geht eine Bombe hoch und mit einem Schnitt sind sechs Monate übersprungen und in Bosnien herrscht Krieg. Ajla wird mit anderen Frauen in ein Lager verschleppt, Männer werden erschossen. In hartem Realismus und kalten, verwaschenen Winterfarben zeigt Jolie die Kriegsgräuel.

Ajlas Schicksal scheint vorgezeichnet, doch zufälligerweise ist ihr serbischer Geliebter Danijel der Kommandant des Lagers und versucht Ajla vor der Vergewaltigung zu bewahren. Als Danijel nach Sarajewo versetzt wird, zeigt er ihr eine Fluchtmöglichkeit. Die Chance wird sie nützen, doch bald wird sie wieder bei dem Serben landen.

Lieben sie sich trotz der Gegensätze oder spielt Aijla nur mit, um Schlimmerem zu entgehen? – Man kann es schwer entscheiden, unklar scheinen nicht nur ihre, sondern auch seine Gefühle. Danijel wiederum entschuldigt Jolie teilweise, indem sie ihm Zweifel zugesteht, sein kriegsverbrecherisches Handeln mit dem Druck seines Vaters, eines fanatischen serbischen Generals, erklärt.

Zunehmend rückt die Liebesgeschichte stärker in den Mittelpunkt, die Kriegsgräuel geraten darüber fast in Vergessenheit. Zu unentschlossen und unpräzise ist zudem die Figurenzeichnung, zu wenig präsent die SchauspielerInnen. Und auch dramaturgisch hapert es: Kein Moment wird verdichtet, Szene reiht sich beliebig an Szene. Nach aufwühlendem und enagiertem Beginn lässt so das Interesse des Zuschauers zunehmend nach.

Stark beginnt auch Zhang Yimous "The Flowers of War", auch wenn seine in fast monochromes Grau getauchte gespenstische Schilderung der japanischen Eroberung von Nanking im Jahre 1937 mit für das schreckliche Geschehen viel zu geschmäcklerisch-eleganten Bilder arbeitet.

Auf der Flucht vor den vorrückenden Japanern können sich nicht nur ein Dutzend Schülerinnen ins Areal der Winchester Cathedral retten, sondern auch gleich viel Prostituierte sowie der amerikanische Abenteurer John Miller.

Im Stil einer Humphrey Bogart-Figur legt Christian Bale diesen Amerikaner an. Nur am Weinvorrat, am Geld im Opferstock, an Zigaretten und natürlich auch an den Prostituierten interessiert ist er zunächst, denkt nicht im Geringsten daran für die Schülerinnen seinen Kopf zu riskieren. Doch als ein japanischer Trupp eindringt und die Mädchen vergewaltigen will, hat Miller sein Saulus-Paulus-Erlebnis. Zu Engelschören und Streicherklängen wandelt er sich im bunt durch die Rosette der Kathedrale flutenden Licht zum Menschenfreund.

Genützt hätte sein Einsatz freilich nichts, hätte nicht ein letzter chinesischer Soldat mit einer Aktion vor der Kathedrale die Japaner zum Rückzug bewegt. Wie dieser Chinese heldenhaft für die Schülerinnen in den Tod geht, so werden später die Prostituierten sich für die 13-jährigen Mädchen, die Miller in Sicherheit bringen kann, in den Tod gehen.

Wie vor zwei Jahren in "John Rabe" wird so auch hier vor dem Hintergrund des Massakers von Nanking von heldenhaftem Einsatz für die Schwachen erzählt. An finanziellen Mitteln wurde nicht gespart, doch wie bei Jolie wird auch hier nichts vertieft.

Keine Szene wird verdichtet, kein Charakter differenzierter gezeichnet und eine penetrante Musiksauce sowie unsägliche Farb- und Lichtspielereien, bei denen die Prostituierten in einer Traumszene zum Abschied in farbenprächtigen Gewändern wie auf dem Catwalk auflaufen dürfen, lassen "The Flowers of War" in Pathos und Kitsch ertrinken.