24. Februar 2020 - 6:57 / Ausstellung / Geschichte 
12. Oktober 2019 3. Mai 2020

Die Ausstellung eröffnet einen neuen, vertiefenden Blick auf die Kultur der Azteken die, 500 Jahre nach der Landung des spanischen Eroberers Hernán Cortés in Mexiko, eine besondere Würdigung erhält.

Hauptanlass der Ausstellung sind zwei einzigartige Federschilde und eine kostbare Grünsteinfigur, die sich heute in den Sammlungen des Landesmuseums Württemberg befinden und erstmals im Kontext der aztekischen Kultur zu sehen sind. Beginnend mit der Peripherie des aztekischen Imperiums (ca. 1430 – 1521 n. Chr.) und der natürlichen und kulturellen Vielfalt Mexikos, nähert sich die Ausstellung dem Inneren des Reiches und seiner Hauptstadt Tenochtitlan. Nach dem Durchschreiten des Herrscherpalastes des Kaisers Moctezuma betritt der Besucher das Innerste des Imperiums: den heiligen Bezirk mit dem Haupttempel Templo Mayor.

Die aztekischen Steinskulpturen bestechen durch ihre naturgetreue und detailverliebte Darstellungsweise, häufig kombiniert mit Kalenderzeichen, Charakteristika bestimmter Gottheiten oder der Kombination verschiedener Götter. Wertvolle Mosaikmasken, Federarbeiten und Goldschmuck lassen erahnen, welche Pracht die Eroberer am Hofe des Aztekenherrschers vorfanden. Den farbenfrohen Bilderhandschriften ist ein eigener thematischer Abschnitt in der Ausstellung gewidmet. Als Besonderheit präsentiert die Ausstellung neueste Forschungs- und Ausgrabungsergebnisse. Das Ausgrabungsprojekt Templo Mayor sowie das angeschlossene Museum stellen erst kürzlich entdeckte, noch nie ausgestellte Opfergaben zur Verfügung. 2

Die Azteken: 500 Jahre nach der Invasion

1519 drangen der Spanier Hernán Cortés und seine Truppen in das aztekische Reich ein. Diese Invasion gipfelte 1521 im Untergang des größten indigenen Imperiums in Mittelamerika. 500 Jahre nach diesen Ereignissen versucht diese Ausstellung, die Geschichte der Azteken aus ihrer eigenen Perspektive zu erzählen, von außen beginnend und in das Herz des Reiches vordringend.

Das aztekische Reich wurde von einem Bündnis aus drei Stadtstaaten regiert: Tenochtitlan, Tlatelolco und Tlacopan. Es war ein multiethnisches Imperium, das viele verschiedene Kulturen, Sprachen und Völker umfasste. Alle diese Völker zollten ihren Herren Tribut. Der Name "Azteken" selbst ist eine Schöpfung europäischer Wissenschaftler. Die Bewohner von Tenochtitlan, der Hauptstadt, nannten sich "Mexica". Sie sprachen die Nahuatl-Sprache. Obwohl sich die Europäer große Mühe gaben, lokale Kulturen zu zerstören, sorgte der indigene Widerstand dafür, dass viele Aspekte dieser großen Zivilisation bis heute erhalten blieben. Einheimische Sprachen, Lebensmittel und Rituale haben sich im Laufe der Jahrhunderte erhalten und werden heute von Milliarden Menschen auf der ganzen Welt gesprochen, gegessen und praktiziert.

Kosmos: Erschaffung der Welt

Nach dem Glaube der Azteken, wurde die Welt von Göttern erschaffen. Ihnen verdankt die Menschheit ihre Existenz. Am Anfang gab es nur die beiden Schöpfergötter. Die beiden ursprünglichen Götter waren männlich und weiblich, diese Dualität strukturiert die Welt weiterhin. Zusammen schufen diese beiden die anderen Götter – es gibt Hunderte von ihnen. Sie schufen das Universum und alle Lebewesen.

Als die Welt erschaffen wurde, wurden auch Raum und Zeit geformt. Die Zeit und der Kalender begannen mit dem ersten Sonnenaufgang. Die Welt war in vier Ecken geteilt. In der Mitte dieser Ecken steht der zentrale Baum, die axis mundi, um die sich alles dreht. Bis heute erhalten die Götter ihre Schöpfung aufrecht. Das ist eine schwere Aufgabe, für die die Menschen ihnen danken. Nur wenn sie geehrt werden und ihnen Geschenke dargebracht werden, werden sie weiterhin für die Menschheit sorgen. In regelmäßigen Abständen muss die Schöpfung erneuert werden, indem sie in Ritualen nachgestellt wird.

Gesellschaft: Alltag und heilige Natur

Der Kern des aztekischen Reiches lag im dicht besiedelten Tal von Mexiko. Vor der Eroberung der Azteken dominierten 50 Stadtstaaten (altepeme) das Tal. Sie konkurrierten politisch, ein Netzwerk von Handelsrouten und Märkten sorgte jedoch für einen breiten Austausch von Waren und Ideen. Die Bevölkerung war multiethnisch, es wurden mehr als 40 Sprachen gesprochen.

Das Tal von Mexiko war stark urbanisiert. Jeder Stadtstaat hatte eine Hauptstadt, die sich um einen Tempel, Palast und Marktplatz konzentrierte. In diesen Hauptstädten lebten die Elite, die Priester, aber auch Handwerker und Händler. Außerhalb der Städte waren die Menschen Bauern. Die Familien waren selbstversorgend und bauten ihre eigenen Lebensmittel an. Sie webten auch ihre eigenen Textilien, fertigten ihre eigene Keramik an und schufen ihre eigenen Werkzeuge. Pflanzen, Tiere und die Landschaft hatten alle einen religiösen Wert. Der Ritualkalender strukturierte das Leben der Menschen. Er bestimmte die besten Momente für die Aussaat und das Pflanzen, half aber auch bei der Planung wichtiger Lebensereignisse.

Krieg: Ein Imperium, das auf Eroberung und Tribut aufgebaut ist

Kriege spielten eine wichtige Rolle in der Geschichte und Gesellschaft der Azteken. Ihre militärische Überlegenheit etablierte sie als regionale Macht im Tal von Mexiko. Der Zugang zu Tributen durch die Eroberung anderer Stadtstaaten war der Hauptantrieb für den Krieg. So versuchten die Azteken vor dem Angriff mit einer Armee, eine Provinz zu gewinnen, indem sie zunächst Schutz gegen Tribut boten.

Die aztekische Gesellschaft bestand aus zwei Klassen: dem einfachen Volk "Macehualtin" und den Adligen "Pipiltin". Sowohl Erfolg als auch Tapferkeit im Krieg waren wichtige Wege für den sozialen Aufstieg. Eine Garantie für den Aufstieg in die Meritokratie war die Gefangennahme feindlicher Krieger. Diese Krieger wurden als Kriegsgefangene in die Hauptstadt gebracht. Nachdem sie monatelang oder jahrelang in der Stadt gelebt hatten, wurden sie während der Rituale beim Templo Mayor hingerichtet. Das Konzept des Krieges war tief in der aztekischen Gesellschaft verankert. Eine Frau, die bei der Geburt starb, wurde als gefallene Kriegerin geehrt.

Stadt und Palast: Leben im Luxus

Tenochtitlan war 1519 eine der größten Städte der Welt mit einer geschätzten Bevölkerung von etwa 200.000 Einwohnern. Sie befand sich auf einer Insel im See von Texcoco und wurde so konzipiert, dass jedes Haus mit Kanu zugänglich war. Staudämme mit Straßen sicherten die Verkehrsanbindung an das Festland. Aquädukte versorgten die Stadt mit frischem Wasser. Zahlreiche Märkte sorgten für ein reichhaltiges Angebot an Lebensmitteln und Waren. Darunter war der größte Markt des Reiches, der Markt von Tlatelolco. Hier wurden Produkte aus ganz Mesoamerika gekauft und verkauft.

Die Eliten lebten im Zentrum der Stadt in großem Luxus. Materialien von großem Wert wie Quetzalfedern, Gold und Obsidian erreichten Tenochtitlan als Tributzahlungen, wo sie in Luxusobjekte verwandelt wurden. Der Palast des "Huei tlatoani", des Herrschers des aztekischen Reiches, war sowohl seine Wohnung als auch das administrative Zentrum des Reiches.

Templo Mayor: Zentrum des Universums

Im Herzen des mexikanischen Kosmos lag der Heilige Bezirk, der Ort, an dem Religion, Staatsmacht und wirtschaftliche Aktivitäten zusammenflossen. Er misst etwa 440 x 380 Meter und bestand aus zahlreichen Tempeln, Schulen und Universitäten, Ballspielplätzen und Naturelementen. Hier führten Priester tägliche Rituale durch, edle Jugendliche erhielten ihre Ausbildung und der "huei tlatoani" (Kaiser) wurde installiert. Tribute, die im ganzen Reich gesammelt wurden, wurden hier als Geschenke an die Götter hinterlegt. Diese Gaben und Opfergaben sicherten den Fortbestand der Welt und des menschlichen Lebens. Mit ihnen dankten die Mexica den Göttern für das Leid, das diese durchgemacht hatten, als sie das Universum erschufen. Die Götter der eroberten Völker wurden im Tempel von Huitzilopochtli bewacht, was die Überlegenheit des mexikanischen Schutzgottes bestätigte. Ausländische Herrscher wurden zu Ritualen und Zeremonien eingeladen. Auf diese Weise konnten die Mexikaner ihren enormen Reichtum und ihre Macht unter Beweis stellen.

Das Erbe der Azteken

Das Erbe der Azteken wird auf vielfältige Weise vereinnahmt. Die zeitgenössische mexikanische Kultur ist aus indigenen und europäischen Wurzeln gewachsen. Indigene Religionen und Christentum, traditionelle und moderne Medizin, indigene Sprachen und Spanisch existieren nebeneinander und sind zu einer einzigartigen Kombination verschmolzen.

Mexiko selbst ist nach den Mexica benannt. Adler und Kaktus, die Gründungssymbole von Tenochtitlan, stehen auf der mexikanischen Flagge. Jeden Tag entdecken Archäologen neue Überreste des mexikanischen Lebens. Heute sprechen mehr als 1.500.000 Menschen Nahuatl. Viele leben in ländlichen Gemeinden und Städten in Mexiko, aber auch in den Vereinigten Staaten gibt es Sprachgemeinschaften. Fehlende Möglichkeiten haben viele Menschen zur Migration veranlasst. Dennoch konnten die indigenen Völker ihre Sprache und viele Aspekte der traditionellen Kultur in einem Umfeld von Migration und Globalisierung bewahren. Trotz 500 Jahren Kolonisierung und Diskriminierung ist die indigene mexikanische Kultur definitiv noch sehr lebendig.

Azteken
12. Oktober 2019 bis 3. Mai 2020

Linden-Museum Stuttgart
Staatliches Museum für Völkerkunde
Hegelplatz 1
D - 70174 Stuttgart

W: www.lindenmuseum.de

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  •  12. Oktober 2019 3. Mai 2020 /
Schädelmaske © Gliserio Castañeda, D.R. Secretaría de Cultura – INAH
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Federschild Mäander und Sonne © Landesmuseum Württemberg, Foto: Hendrik Zwietasch
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Figur des Gottes Quetzalcoatl © Landesmuseum Württemberg, Foto: Hendrik Zwietasch
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Mictlantecuhtli © D.R. Archivo Digital de las Colecciones del Museo Nacional de Antropología, Secretaría de Cultura – INAH|
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Figur des Gottes Xipe Totec © Museum der Kulturen Basel, Foto: Peter Horner
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Personifiziertes Steinmesser © Gliserio Castañeda, D.R. Secretaría de Cultura – INAH
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Blick auf die Ausgrabung des Tempels des Ehecatl-Quetzalcoatl © Foto: Raúl Barrera Rodríguez
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Vogelkopfmaske © Stiftung Schloss Friedenstein Gotha
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