Andy Warhol und die amerikanischen Mythen

Das Düsseldorfer NRW-Forum zeigt in einer Ausstellung mit Originalarbeiten und Archivmaterial, wie die berühmte Siebdruck-Serie "Myths" von Andy Warhol entstand. Zeitungsschnipsel, Anzeigenmotive, Vorlagen und Setcards für Schauspieler – zusammen mit Dokumentaraufnahmen aus Andy Warhols Studio – erlauben einen tiefen Blick in die Arbeits- und Denkweise von Andy Warhol und helfen beim Entschlüsseln der von ihm dargestellen "Mythen" der amerikanischen Gesellschaft. Sie bietet darin einen Exkurs in die Entwicklung der Massenmedien und die Appropriation der massenmedialen Bildwelten durch die Kunst.

Der Galerist Ronald Feldman beauftragte Andy Warhol mit der Erstellung einer Grafik-Edition; heraus kam – nach zweijähriger Zusammenarbeit – die Serie "Myths", die 1981 zuerst in der Ronald Feldman Gallery in der New Yorker Mercer Street ausgestellt wurde. Die Serie umfaßt zehn Motive: Dracula, Howdy Doody, Mammy, Mickey Mouse, Santa Claus, Superman, The Shadow, The Star, The Witch und Uncle Sam, die in einer Auflage von jeweils 200 Exemplaren als nummerierte und signierte Siebdrucke, zum Teil mit Diamantenstaub bestäubt, aufgelegt wurden.

Die Ausstellung zeigt die 10 großformatigen Siebdruck der "Myths"-Serie und dazu das Archivmaterial, das Andy Warhol nutzte, um seine Serie zu entwickeln. Das Potenzial an Mythen war natürlich größer als Zehn und der Auswahlprozess, der schließlich zu den zehn Motiven der Edition führte und der Mythen wie Nipper, den RCA Hund, Mother Goose oder Father Time und andere ausschloß, ist ebenso aufschlußreich wie die kleinen Veränderungen, die Warhol an den Ursprungs-Mythen vornehmen mußte, um Klagen wegen Copyrightverletzungen aus dem Weg zu gehen.

Das gesamte Shooting in Warhols Studio wurde damals von Barbara Goldner in schwarz-weiß Aufnahmen dokumentiert. Während Warhol bei drei Motiven auf existierendes Bildmaterial zurückgriff – bei Greta Garbo (The Star), bei Mickey Mouse und Superman – entschloß er sich die Polaroids für die Bildvorlagen der sieben weiteren Motive selber zu schießen. Warhol nutzte dann diese Polaroids als Ausgangsmaterial für seine Siebdrucke, um den Spirit der Mythen wieder aufleben zu lassen.

Bereits 1981 beruhten viele der von Warhol ausgesuchten Mythen auf Idolen seiner Kindheit, auf Radio- und Fernsehsendungen der 50er und 60er Jahren, und – wie Arthur C. Danto in einem Essay über die Eröffnung der Ausstellung anmerkte, teilten die Motive die meist jungen Besucher bereits damals in eine Generation, in der diese Mythen noch lebendig waren, und eine Generation, die nie in einem direkten Kontakt zu diesem Mythen gestanden hatte und zum Teil Mythen wie Mammy oder Howdy Doody mit den unterschiedlichsten, neuen Konnotationen kennengelernt hatte. Vergleichbar mit jenen deutschen massenmedialen Mythen wie dem Sandmännchen oder Lurchi, die zum Teil viele mediale Wandlungen – von der literarischen Figur bis zum Fernseh-Star – durchlaufen haben, und heute immer noch präsent sind, oder wieder präsent werden und dabei in jungen Szenen Kultstatus einnehmen.

Viele der warholschen Motive sind ausschließlich oder zumindest vorrangig Teil der amerikanischen Kultur und nur dort in ihrer prägenden massenmedialen Wirkung präsent. Während Greta Garbo oder Mickey Mouse globale Charaktere verkörpern, sind Santa Claus oder Mammy ur-amerikanische Bilder mit einer eigenen, zum Teil Jahrhunderte zurückliegenden Bild-Geschichte – auch wenn diese durch die Kraft der dahinterstehenden Marken inzwischen zu eigenständigen globalen Images geworden sind. Andere Motive, wie etwa Howdy Doody oder The Shadow kann nur kennen, wer mit den amerikanischen Radio- und Fernsehprogrammen aufgewachsen ist. Einige Motive sind längst Legende, andere leben sehr aktiv fort: als Werbefigur wie Mammy bei Quaker Oats oder Santa Claus bei Coca Cola.

Die Myths machen deutlich, was Warhol meinte, als er auf die Frage "Glauben Sie an den amerikanischen Traum?" zur Antwort gab: "Nein, aber ich glaube, wir können damit Geld verdienen."


Im Katalog kommt der Galerist Ronald Feldman in einem sehr persönlichen Interview zur Entstehungsgeschichte der "Myths" Wort; der Katalog – mit zahlreichen Abbildungen und Dokumenten, kostet im Museumsshop Euro 19,50.

Andy Warhol: Myths
29. Februar bis 13. April 2008