Zwischen Zonen

Seit Jahrzenten sind die Länder des Nahen und Mittleren Ostens Schauplatz von Krieg und Vernichtung, der Vertreibung von Menschen und der Zerstörung ihrer Kulturen. "Zwischen Zonen" präsentiert Fotografien, Videos und Installationen von neun Künstlerinnen, die zwischen äußeren politischen Grenzen und inneren (Flucht-)räumen, individueller Erinnerung und gegenwärtiger Reflexion operieren.

Ob poetische Bilder von Wüstenregionen, die reale Nichtexistenz von Palästina oder die anarchistische Präsenz einer "Super-Tunesierin" während des "Arabischen Frühlings": Kompromisslos, eigensinnig und individuell werden diese Veränderungen thematisiert, Fragen nach dem Verhältnis zwischen Kunst und Macht, Erinnerung und Gegenwart neu verhandelt. Die zeitgenössische künstlerische Produktion aus arabischen bzw. islamisch geprägten Ländern ist trotz einiger wichtiger Ausstellungen – zuletzt etwa "Common Grounds" (Villa Stuck 2015) und "The Turn – Art Practices in Post-Spring – Societies" (Kunstraum Niederösterreich, 2016) – noch ein weitgehend unbearbeitetes Terrain.

Zu den spezifischen Eigenarten gerade von Künstlerinnen aus arabischen Ländern gehört besonders die Vielstimmigkeit ihrer zeitgenössischen Ausdrucksweisen. In den – teilweise eigens für die Ausstellung im Marta Herford entstandenen Projekte werden unterschiedliche aktuelle gesellschaftliche Themen, biographisch geprägte Arbeits- und Präsentationsweisen miteinander in Beziehung gesetzt, die Grenzen und Grenzüberschreitungen in umstrittenen Räumen und zwischen unterschiedlichen Zonen von Macht und Geschichte, Natur und Religion reflektieren. Fragen nach einer hybriden politischen Identität werden dabei mit direkten biographischen Erfahrungen gekreuzt und thematisieren so die realen und aktuell bedrohten Handlungsspielräume ästhetischer Leistungen.

Viele Künstlerinnen, die sich in den arabischen Ländern mit einem eigenen Werk hervortaten, zogen entweder zu Ausbildungszwecken, für eine größere Nähe zu internationalen Entwicklungen oder als Exilantinnen in die westliche Welt. Damit konfrontieren sie auch die etablierten künstlerischen Produktions- und Distributionssysteme mit neuen Bild- und Interpretationswelten, mit politischen Erfahrungen, persönlichen Sichtweisen, tradierten Motiven, die einem ganz eigenen, zum Teil sehr politisch-kritischen Zugriff auf die Gegenwart entspringen.

Spätestens seit dem Auftauchen solcher künstlerischen Ansätze und Perspektiven auf dem westeuropäisch-amerikanischen Sektor der zeitgenössischen Kunst sind auch die Einteilungen in Ost und West immer poröser und zunehmend hinfälliger geworden. Auf jeden Fall aber vermögen diese Künstlerinnen "zwischen den Welten", für die das Aufeinanderprallen höchst unterschiedlicher kultureller Systeme eine sehr persönliche Erfahrung darstellt, einen Blick zu eröffnen, der mehr zeigt als Exotismus und Mysterium.

Künstlerinnen: Arwa Abouon (*1982 Libyen – Kanada), Mounira Al Solh (*1978 Libanon – Niederlande), Morehshin Allahyari (*1985 Iran – USA), Sama Alshaibi (*1973 Irak – USA), Moufida Fedhila (*1977 Tunesien – Frankreich), Saba Innab (*1980 Jordanien), Lamia Joreige (*1972 Libanon), Amina Menia (*1976 Algerien), Ala Younis (*1974 Jordanien)


Zwischen Zonen
Künstlerinnen aus dem arabisch-persischen Raum
24. Juni bis 24. September 2017