Zwischen Mainstream und Experiment: Steven Soderbergh

24. Oktober 2011 Walter Gasperi
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Mit seinem ersten Spielfilm "Sex, Lies and Videotape" gewann Steven Soderbergh auf Anhieb 1989 bei den Filmfestspielen von Cannes die Goldene Palme. Als Wunderkind wurde er gefeiert, doch eher glücklos agierte der 1963 geborene Amerikaner im folgenden Jahrzehnt, ehe er mit dem Drogendrama "Traffic" und der "Ocean´s"-Trilogie zum auch kommerziell erfolgreichen Starregisseur aufstieg. Dennoch blieb Soderbergh immer auch für Experimente offen.

Der Einzelne oder eine kleine Gruppe gegen ein System – das ist ein wiederkehrendes Thema in den Filmen Steven Soderberghs, der selbst sagt: "Es geht immer um den Kampf zwischen innerer und äußerer Welt. Und in all meinen Filmen kommen die Hauptfiguren mit der Umwelt nicht klar." Diesen Widerspruch und Kampf bestimmen seine frühen Filme "Sex, Lies and Videotape" (1989) und "Kafka" (1991) ebenso wie seine "Ocean´s"-Trilogie (2001-2007), das Drogendrama "Traffic" (2000), "Erin Brockovich" (2000) oder den vierstündigen "Che" (2007). Mal geht Soderbergh freilich damit spielerisch um wie bei "Ocean´s" mal dokumentarisch-realistisch wie in "Traffic" oder dem Che Guevara-Biopic.

Kennzeichen von vielen Soderbergh-Filmen ist dabei das Aufgeben einer linearen Handlungsführung zugunsten der puzzleartigen Verschränkung mehrerer Erzählstränge. Meisterhaft hat er mit dieser Erzählstrategie schon in "Traffic" gearbeitet, noch komplexer, aber gleichzeitig doch spielerisch leicht werden im Seuchen-Thriller "Contagion" zahlreiche Schauplätze und Geschichten verknüpft. Sichtbar wird in dieser verschachtelten Erzählweise auch immer wieder Soderberghs Lust am Spiel. Wie es seinen Gangstern in "Ocean´s" kaum ums Geld geht als vielmehr um die perfekte Durchführung eines unglaublichen Coups, so versteht sich Soderbergh selbst als cooler Spieler, der souverän und mit sichtlicher Lust die einzelnen Handlungsteile organisiert und zu einem Ganzen fügt, das mehr ergibt als die Addition der Teile.

Ein weiteres Moment, das das Werk Soderberghs bestimmt und durchzieht, ist die Auseinandersetzung und das Spiel mit der Filmgeschichte. Den schwarzweißen "Kafka" legte er als Hommage an den deutschen Expressionismus an, mit "Ocean´s 11" drehte er ein Remake von Lewis Milestones "Frankie und seine Spießgesellen" ("Ocean´s Eleven", 1960) und mit "The Good German" (2007) bewegte er sich nicht nur inhaltlich auf den Spuren von "Casablanca", "The Third Man" und Billy Wilders "A foreign Affair", sondern kopierte auch deren Ästhetik.

In "Erin Brockovich" (2000), der vom Kampf einer alleinerziehenden Mutter gegen ein Unternehmen, das einen Umweltskandal vertuscht, erzählt, orientierte sich Soderbergh dagegen an den engagierten sozialkritischen New-Hollywood-Filmen eines Alan J. Pakula oder Sidney Pollack, während er mit "Solaris" (2002) eine Neuverfilmung von Tarkowskijs Science-Fiction-Klassiker drehte, die weniger Remake als vielmehr eine Neuinterpretation des Stoffes brachte.

Vom Hollywood-System ließ sich der Amerikaner trotz seiner Erfolge aber nicht kaufen, sondern blieb immer auch offen für Experimente. Der mit einer komplexen Rückblendenstruktur arbeitende Rachethriller "The Limey" (1999) zeugt ebenso davon wie der selbstreflexive "Full Frontal" (2002). Mit traditionellen Erzählweisen brach Soderbergh aber auch in dem vierstündigen "Che", in dem er auf die Höhepunktdramaturgie klassischer Biopics verzichtete und ganz auf den erfolgreichen Guerillakampf Guevaras in Kuba und sein Scheitern in Bolivien fokussierte.

Seinen Mut hat er freilich mehr als einmal auch mit kommerziellen Misserfolgen bezahlt. Der hochartifizielle "The Good German" flopte an der Kinokasse ebenso wie der quasidokumentarische, sich ganz auf den Alltag eines Revolutionärs konzentrierende "Che". Kein Erfolg war auch dem kühlen und undramatischen Science-Fiction-Film "Solaris" beschieden.

Und dabei sind alle drei Film hochkarätig besetzt. George Clooney ist gewissermaßen Soderberghs Stammschauspieler, er verkörperte nicht nur in "The Good German" und "Solaris", sondern auch in "Out of Sight" (1998) und der "Ocean´s"-Trilogie die Hauptrolle, gemeinsam gründeten sie auch 2000 die Produktionsfirma Section Eight Productions und Soderbergh produzierte Clooneys Regiedebüt "Confessions of a Dangerous Mind" (2002).

Clooney hat diese Firma aber inzwischen verlassen, unklar ist aber auch, wie es mit Soderberghs Karriere weiter gehen wird. Nach eigenem Bekunden will er sich aus dem Filmgeschäft zurückziehen und sich der Malerei widmen. Davor sollen aber noch mehrere Filmprojekte wie die Stripper-Komödie "Magic Mike" und das Musiker-Biopic "Liberace" realisiert werden. Geplant war auch eine Kinoversion der britischen TV-Serie "Solo für U.N.C.L.E.", fraglich scheint aber, ob diese nach dem Ausstieg Clooneys noch gedreht wird. – Möglich ist freilich bei einem gewitzten Spieler wie Soderbergh auch, dass das nur gezielt lancierte Falschmeldungen sind, mit denen er das mediale Interesse an seiner Person und seinem jeweils aktuellen Film hochhalten will.