Klaus Cäsar Zehrer war einst "Rookie of the Year 2017" beim Diogenes Verlag mit seinem Erstling "Das Genie". Die unglaubliche, tragische und wahre Geschichte von William James Sidis, an dem die Eltern ein Bildungsexperiment vollziehen, wurde zum Bestseller. Fast schon für übermütig könnte man nun diesen Autor mit seinen Zweitling halten, wenn er Ähnlichkeiten seiner pandemischen Situation im Decamerone wiederfindet.
"Es handelt sich um keine Villa in der Toskana, sondern um eine Berliner Dachbude, und um sich in geselliger Zehnerrunde Geschichten erzählen zu können, fehlen neun andere. Abgesehen davon sind jedoch die Parallelen frappierend, insbesondere was die Langeweile betrifft." Er räumt sein Arbeitszimmer auf und es fallen ihm die gefundenen, gesammelten, von anderen bekommenen Fotos in die Hände. Wie anregend. "In jedem einzelnen Foto liegt eine Vielzahl solcher Geschichten verborgen, sie ragen in allen zeitlichen und räumlichen Richtungen über die neun mal dreizehn Zentimeter Papier hinaus. Aber zusammen mit denen, die sie erzählen könnten, gehen auch die Geschichten verloren, und das Bild schaut uns nur noch leer und ausdruckslos an, stummer Zeuge einer Zeit, über die wir aus anderen Quellen beredtere Auskunft erhalten."
Auf wundersame Weise entstand daraus ein edel-weißes leinengebundenes Buch, das sich mit dem Titel "Das schreckliche Zebra" und dem Coverfoto über sich selbst lustig zu machen scheint. Ja, und man greift nicht umsonst neugierig danach. Vergnüglich, inspirierend, erstaunlich lesen sich diese kurzen Geschichten, Sprachexperimente inklusive, die Anfangsseite links stets der Wirkung des impulsgebenden Fotos vorbehalten. Jede Sequenz mit einem Titel versehen: Abschied und Wiederkehr. "Oma, leb wohl! Ein letzter Kuss! ..." Der Enkel kommt jedoch im Teil III. unvermittelt und seitenverkehrt (im Foto) wieder: "Hallo Oma, ich bin wieder da! ...“, während die alte Frau dazwischen die tragischen Generationsübertragungen reflektiert. Oder Amüsemang / Ingenieursgeist / Gemütlichkeit als Trilogie des Nationalcharakters. "... It was really, really amazing. ‚Reisen builded‘, as the Germans say, and that´s true. You know, Germany is not very big, you can make pretty much everything within one week."
Man wollte nicht aufhören, von all diesen herrlichen Geschichten noch und noch mehr anzudeuten – vom unliebsamen Besuch des kleinen, leichten Clowns und dem darauf folgenden total schrägen weiteren unliebsamen Besuch, vom Philosophieren über Schicksalsschläge mit Hund Hasso, von der Carpe-Diem-Trilogie ... "von fein-zart bis beinhart, von poetisch bis bedenkenlos albern", wie der Verlagstext verspricht. Lesevergnügen pur und anhaltend schallendes Gelächter garantiert! "Na sowas – die da hinten die kenia!"
Klaus Cäsar Zehrer: Das schreckliche Zebra
Hardcover Leinen, 256 Seiten, Diogenes Verlag, Dez 2021, ISBN 978-3-257-07164-1