8. März 2016 - 4:30 / Walter Gasperi / Filmriss
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Eine kleine Häsin geht als Polizistin in einer nur von Tieren bewohnten Metropole auf Verbrecherjagd. Byron Howard, Rich Moore und Jared Bush spielen in diesem Disney-Animationsfilm brillant und anspielungsreich mit den Mustern des Cop-Genres, bieten rasante, gleichermaßen spannende wie witzige Unterhaltung und verbinden diese souverän mit höchst aktuellen gesellschaftspolitischen Themen.

"Zootopia" heißt der neue Disney-Animationsfilm im Original und spielt damit einerseits auf die Tierwelt, andererseits auf die Utopie einer idealen Welt an, in der die Tiere in der titelgebenden Großstadt leben. Von dieser besseren Welt träumt auch die Häsin Judy Hopps, die Polizistin werden will, um das Ihre dazu beizutragen.

Großartig, herrlich an der Kante zwischen Witz, Spannung und menschlicher Botschaft balancierend, ist schon der Auftakt mit einer Konfrontation der Protagonistin mit einem Fuchs, die Judy aber nicht von ihren Träumen abbringen kann, und der anschließenden Ausbildung in der Polizeischule, bei der sie trotz physischer Unterlegenheit durch hartes Training die Prüfungen meistert.

Keinen Leerlauf gibt es hier, von der ersten Szene bis in den Nachspann hinein hält das Regie-Trio Byron Howard, Rich Moore und Jared Bush das Tempo souverän durch, verbindet mit unglaublicher Dichte temporeiche Unterhaltung und gesellschaftspolitischen Kommentar.

Ein Rausch an Farben und Settings ist die Zugfahrt von Judy aus ihrer ländlichen Heimat Nageria in die Metropole Zootopia, in der nach Jahrtausenden des Kampfes Raub- und Beutetiere nun friedlich zusammenleben. Regenwald, Sahara und arktische Region findet man hier auf engstem Raum neben Hochhaussiedlungen und Großstadtverkehr.

Austoben konnte sich hier die Disney-Crew beim Entwurf von Schauplätzen und Figuren. Überwältigend ist die Fülle, bestechend der Detail- und der Einfallsreichtum. Im Zentrum stehen Judy Hopps und der Kleinkriminelle Fuchs Nick Wilde. Die klassischen Vorurteile hat Hopps zunächst gegenüber dem Fuchs, denn lange tradierte Denkmuster lassen sich eben nur schwer ablegen, doch bald werden sie zu einem Team und Freunden.

Nicht nur dieses Duo gewinnt aber Profil, sondern auch Nebenfiguren wie Polizeichef Büffel Bogo oder Bürgermeister Löwe, der ein Schaf nur deshalb zum Vizebürgermeister gemacht hat, um die Stimmen dieser Spezies zu bekommen, oder ein etwas träger Beamte.

Wird hier die Häsin, die neben ihren schwergewichtigen Kollegen wie Elefant und Nashorn doppelt klein wirkt - ein Kommentar zu Rollenbildern in Polizeifilmen (und in der Realität?) -, zuerst nur mit dem Verteilen von Strafzetteln an Falschparker beauftragt, so beginnt sie bald eigenständig mit dem Fuchs – ein klassisches ungleiches Paar - im Fall eines vermissten Otter zu ermitteln und stößt schließlich auf eine große Verschwörung.

Wie einst Sam Spade oder Philipp Marlowe ist das Duo auf sich gestellt. Zeitraubend ist die Informationsbeschaffung auf einer Behörde, denn die Beamten sind allesamt Faultiere, doch immerhin führt die Spur in einen Nudistenclub und bald bringen zwei mafiose Eisbären Hopps und Wilde zum Gangsterboss Mr. Big, dessen Erscheinung dann doch wieder überrascht.

Das ist nicht nur brillante Unterhaltung mit einer umwerfenden Anspielung auf Coppolas "Der Pate", aber auch kleinen Zitaten aus Orson Welles´ "Citizen Kane" oder einem Spiel mit der Pop-Queen Shakira, die das Titellied singt und als Gazelle, für die alle harten Cops schwärmen, in einem finalen Konzert auftritt, sondern bietet eben auch Tiefgang.

Wie einst George Orwell in "Animal Farm" nimmt Howard hier die ursprüngliche Funktion der antiken Tierfabel ernst, will "delectare et prodesse" – unterhalten und nützen – und verpackt in die Unterhaltung eine klare Botschaft, die aber nur ganz am Ende penetrant vorgebracht wird.

Ungemein dicht kommen die Anspielungen auf Quotenregelung, politisches Taktieren und Klischeebilder. Raffiniert wird mit den klassischen Tierrollen von den bösen Raubtieren und den dummen und harmlosen Schafen gespielt und diese gezielt auf Menschen und die heutige Situation der Welt, auf stereotypes Denken von aggressiven Fremden und zivilisierter eigener Gesellschaft übertragen. Was in einem Realfilm leicht platt und überfrachtet wirken könnte, funktioniert in der Animation bestechend.

Spielerisch leicht wird vorgeführt, wie brüchig die gewonnene Einigkeit unter den Tieren ist, und wie leicht machtgierige Tiere, die nach außen hin ganz unscheinbar und harmlos wirken können, gezielt Angst schüren, um ihre Interessen durchzusetzen und wie leicht auch eine positive Figur wie die Häsin Hopps unfreiwillig mit missverständlichen Aussagen bei einer Pressekonferenz diese Hetzer und Verhetzer beim Schüren von Vorurteilen unterstützen kann.

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Trailer zu "Zoomania"

Die Meinung von Gastautoren muss nicht mit der Meinung der Redaktion übereinstimmen. (red)



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