Zeitsprung

Die Ausstellung "Zeitsprung" steht im Mittelpunkt des Jubiläumsjahres der Galerie im Taxispalais, die 2014 ihren 50. Geburtstag feiert. Sie versammelt mit Carola Dertnig, Heinz Gappmayr, Martin Gostner, Peter Kogler, Peter Sandbichler, Eva Schlegel, Martin Walde, Hans Weigand und Lois Weinberger renommierte Tiroler Künstlerinnen und Künstler, die auf eine internationale Karriere blicken können und bereits einmal in der Galerie im Taxispalais mit Einzelausstellungen vertreten waren.

Ausgehend von der Arbeit "war ist wird" (1978) von Heinz Gappmayr, die auf der zentralen Betonwand im Innenhof der Galerie zu sehen sein wird, wurde für die Ausstellung der Titel "Zeitsprung" gewählt. Er bindet die einzelnen künstlerischen Beiträge lose zusammen und verweist auf das Ineinandergleiten von vergangener, gegenwärtiger und zukünftiger Zeit, sodass er gleichsam die Geschichte der Galerie mitreflektiert. Die Künstlerinnen und Künstler, unter denen sich Teilnehmer/innen von wichtigen Großausstellungen wie der documenta oder der Biennale von Venedig befinden und von denen einige an Kunstakademien unterrichten, werden jeweils einen Werkkomplex zeigen, wobei ein Großteil der Arbeiten eigens für die Ausstellung entsteht.

Das OEuvre von Carola Dertnig (geboren in Innsbruck, lebt und arbeitet in Wien) umfasst Performances, performancebasierte Videoarbeiten, Zeichnungen, Collagen, Objekte und Installationen. Ausgangspunkt ihrer neuesten Arbeit "Tanzporträt Harald Kreutzberg – 10 Posen" (2014), die aus einer Performance, einer eigens konzipierten Fahrradbühne, einem Performancevideo und Collagen besteht, ist eine Recherche über den zu seiner Zeit weltberühmten, heute jedoch fast vergessenen deutschen Tänzer und Choreografen Harald Kreutzberg (1902-1968), der ein Haus in Seefeld in Tirol besaß, das für ihn ein wichtiges Refugium und ein Ort des künstlerischen Experimentierens war. Für Carola Dertnig, die selbst in Seefeld aufgewachsen ist, stellt dies einen Ausgangspunkt dar, in dem sich lokale Aspekte, individuelle Biografien und internationale Tanz- und Performancegeschichte verbinden.

Im Werk von Heinz Gappmayr (geboren 1925 in Innsbruck, gestorben 2010 in Innsbruck) gibt es immer wiederkehrende Begriffe, die zu den Konstanten seines künstlerischen Konzepts gehören. Es sind dies vor allem Begriffe, die sich der unmittelbaren Anschauung entziehen und von ontologischer Relevanz sind. Dies hängt mit der Tatsache zusammen, dass der Kunstgegenstand die Sprache selbst ist. Ausgangspunkt zahlreicher Arbeiten ist das Wort "Zeit", das in der deutschen Sprache besonders reizvoll ist, da es nur aus geraden Linien besteht. Auch das für die Ausstellung in der Galerie im Taxispalais ausgewählte Werk ist ein Zeittext. Doch der Begriff wird hier nicht durch das Wort Zeit visualisiert. In der Installation "war ist wird" (1978) geht es um ein Zeitkontinuum, das Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft umfasst.

In seiner aus mehreren Werken bestehenden Installation "Abhilfen und Wirkungen" (2011/2014) beschäftigt sich Martin Gostner (geboren 1957 in Innsbruck, lebt und arbeitet in Düsseldorf und Innsbruck) mit Fragen des Metaphysischen und Animistischen. Ausgangspunkt der Installation ist seine Arbeit "Supersäfte Superkräfte", eine jener Interventionen, die er als "Erker" bezeichnet und die er in diesem Fall bereits am 27. Juni 2011 in der Nähe der Heilwasserquelle von Maria Waldrast, einem Bergkloster südlich von Innsbruck, ausgeführt hat. Die aktuelle Installation versteht sich als Ableitung dieses Erkers, sie ist eine Sammlung von Denk- und Arbeitsprozessen, Schlussfolgerungen und Überlegungen und wie auch die Erkerarbeit selbst Teil eines Komplexes, den er unter dem Begriff der Erkerkultur fortlaufend weiterentwickelt.

Seit Anfang der 1980er Jahre entwickelt sich das Werk von Peter Kogler (geboren 1959 in Innsbruck, lebt und arbeitet in Wien) stets entlang der neuesten Errungenschaften der Technologie, die sein formales Spektrum erweitern helfen. Vergleicht man die geometrisch mäandernden "Ameisenstraßen" der documenta IX, 1992 und die gigantischen, auf der documenta X, 1997 realisierten Röhrensysteme mit den animierten Großraumprojektionen, wie er sie etwa 2008 anlässlich seiner Personale im mumok – Museum Moderner Kunst Wien gezeigt hatte, so sieht man einerseits, mit welch relativ einfachen Strukturen seine frühen Arbeiten starteten, um sich zunehmend zu verdichten. Andererseits zeigt sich, wie er seine künstlerischen Methoden in verschiedene Werkkomplexe transponiert und neue Wege sucht. Der für Zeitsprung entstandene und wiederum mittels Tapeten in ein All-Over getauchte Raum hat an Dichte und Komplexität zugenommen.

Ein zentrales Merkmal, das Peter Sandbichlers (geboren 1964 in Kufstein, lebt und arbeitet in Wien) OEuvre prägt und auch bei seiner neuesten Werkgruppe "Skulls" (2014) zum Tragen kommt, ist die experimentelle Auseinandersetzung mit Fragen und Praktiken in Bezug auf das Verhältnis von Fläche und Körper, Zwei- und Dreidimensionalität sowie Positiv- und Negativformen unter Verwendung von Materialien aus Industrie und Alltag. Mit seinen Skulls verwandelt der Künstler den Ausstellungsraum in eine Art puristische Ahnengalerie. An den beiden gegenüberliegenden Wänden des schmalen Ausstellungsraums hängen fünf riesige Totenschädel verschiedener Tiere. Sandbichlers Auseinandersetzung mit Tierschädeln beruht auf dem Interesse an deren spezifischen Form im Kontext seiner bildhauerischen Strategien und Formensprache, die er seit Ende der 1980er Jahre konsequent entwickelt und erweitert hat.

Eva Schlegels (geboren 1960 in Hall in Tirol, lebt und arbeitet in Wien) Arbeiten, die sich an der Schnittstelle von Fotografie, Film und Rauminstallation bewegen, beruhen auf einem experimentellen Umgang mit fotografischen und bewegten Bildern, die sie mithilfe unterschiedlicher Materialien, Bildträger und Bildformate in den architektonischen Raum erweitert und dabei Gattungsgrenzen subtil auflöst. Schlegel fragt danach, wie der gezielte Einsatz spezifischer Materialeigenschaften oder Bearbeitungstechniken die Wahrnehmung und Aussage von Bildern fokussiert, verändert oder auch unterwandert. Bei der in der Ausstellung gezeigten Installation setzt Schlegel riesige Flugzeugrotoren als Bildträger bzw. Projektionsfläche für verschiedene Filmsequenzen und Texte ein. Mit dem interaktiven "Video Real Time Clock" (2014) thematisiert Schlegel das Phänomen Zeit und zeigt auf poetische Weise dessen flüchtigen und immateriellen Charakter.

Seit den 1990er Jahren experimentiert Martin Walde (geboren 1957 in Innsbruck, lebt und arbeitet in Wien) mit offenen Werk-, Material- und Handlungsformen. Seine Arbeiten formieren sich, indem der Künstler von der auktorialen Aufsicht über den Produktionsprozess zurücktritt. Sie wird erst dann Realität, wenn sich ein oder mehrere Betrachter am Interpretationsprozess beteiligen. Bei der in der Ausstellung gezeigten Installation "201.4" (2014) segeln in einem Abstand von mehreren Minuten die Tagesblätter eines Kalenders, produziert von einem unsichtbar installierten Drucker, aus großer Höhe auf den Boden des Ausstellungsraumes herab. Ein Blick auf die Datumsblätter zeigt jedoch, dass alle dort angezeigten Tage in der Zukunft angesiedelt sind. Die Zeiterfahrung der Arbeit geht demnach nicht mit der der Betrachter synchron, wodurch der Eindruck multipler Realitätsebenen entsteht.

Das künstlerische Werk von Hans Weigand (geboren 1954 in Hall in Tirol, lebt und arbeitet in Wien und Tirol) umfasst die Medien Malerei, Computergrafik, Zeichnung, Installation, Performance und Video. Anleihen aus Pop, Underground und Trash sowie Motive und Charaktere des Hollywood- und Science-Fiction-Kinos finden in seinen zumeist großformatigen Malereien und Bildmanipulationen ebenso Eingang wie Versatzstücke aus Natur, Landschaft, Architektur oder urbanen Räumen, von Fragmenten historischer Bauwerke und Denkmäler und den damit verknüpften Bedeutungen und Symboliken. Für die Ausstellung in der Galerie im Taxispalais entwirft Weigand einen begehbaren, mobilen Raum, der an die Idee des Grafikkabinetts anknüpft und vom Künstler an den innenliegenden Flächen bespielt wird. In seinen neueren Werken greift Weigand grafische Strukturen und Details auf, die er historischen Drucken aus dem 16. Jahrhundert entnimmt und versammelt all-over-artig und die Petersburger Hängung aufgreifend in dem kleinen Salon.

International bekannt wurde Lois Weinberger (geboren 1947 in Stams, lebt und arbeitet in Wien und Gars am Kamp) durch seinen Beitrag "Das über Pflanzen / ist eins mit ihnen" auf der documenta X, 1997 in Kassel. Inmitten der Stadt bepflanzte er damals ein stillgelegtes Bahngleis mit heimischen Pionierpflanzen sowie mit Neophyten aus Süd-und Südosteuropa. Seine jahrelange Beschäftigung mit dem Eindringen, Wandern und Wachsen von Pflanzen in Topografien und via Verkehrswege, in Architekturen und an Unorten überträgt Weinberger in seiner in der Ausstellung gezeigten Arbeit auf den menschlichen Körper selbst. Konkret besteht "Invasion" (2013/2014) aus einem farbig gefassten Aluguss einer lebensgroßen Figur, deren Körper über und über vom Schwamm befallen ist, und einem gerahmten Foto, das hinter der Figur als Resonanzraum dient.


Zeitsprung
24. Mai bis 31. August 2014