Yinka Shonibare CBE - End of Empire

Yinka Shonibare CBE RA zählt zu den bedeutendsten und vielseitigsten Künstlern Großbritanniens und ist eine der gewichtigsten Stimmen in der Auseinandersetzung mit Kolonialismus und Postkolonialismus im globalen Kontext. Seit Mitte der 1990er-Jahre untersucht er im Besonderen das Erbe des ehemaligen Britischen Weltreichs anhand der Wechselbeziehungen zwischen Afrika und Europa.

Vor diesem Hintergrund thematisiert er den Zeitgeist der Gegenwart und stellt Phänomene wie Rassismus, Xenophobie sowie die Konstruktion von nationaler und kultureller Identität ins Zentrum seiner Arbeiten. Die große Werkschau im Museum der Moderne Salzburg feiert sein vielseitiges Œuvre und umfasst rund sechzig Arbeiten aus den letzten drei Jahrzehnten, darunter raumgreifende Installationen, Skulpturen, Fotografie, Grafik und Film.

Yinka Shonibare CBE RA (1962 London, GB) sieht sich aufgrund seiner multikulturellen Herkunft in der Rolle des "postkolonialen Hybriden". Er wurde in London geboren und wuchs in Nigeria, dem Heimatland seiner Eltern, auf. Mit 17 Jahren kehrte er nach London zurück, wo er an der Byam Shaw School of Art (1984–1989) und am Goldsmiths College (1989–1991) studierte und wo er bis heute lebt. 2004 wurde Shonibare für seine Verdienste zum Member of the Order of the British Empire ernannt, 2019 gefolgt von der Erhebung zum Commander of the Order of the British Empire. 2013 wurde er zum Mitglied der Royal Academy of Arts (RA) gewählt. Shonibare verwendet den Titel CBE und neuerdings zusätzlich RA als Namenszusatz. Mit dieser ironisch-affirmativen Geste verbindet er den Anspruch der kritischen Einmischung und der historischen Reflexion. Er ist Preisträger des Art Icon Award 2021 der Whitechapel Gallery 2021.

Während seines Studiums wurde Shonibare mit der Erwartung konfrontiert, seinen "afrikanischen" Hintergrund in seiner künstlerischen Praxis zu thematisieren. Mitte der 1990er-Jahre stieß er auf jene farbenfrohen Dutch-Wax-Batikstoffe, die er seitdem auf vielseitige Weise in seinen Arbeiten verwendet, um seine Forschungen zu Kolonialismus und Postkolonialismus zur Darstellung zu bringen. Die Stoffe werden meist als "authentisch afrikanisch" wahrgenommen; ihren Ursprung haben sie jedoch in Indonesien. Shonibare setzt die Textilien der niederländischen Firma Vlisco (gegr. 1846) ein, die auch als Wax Hollandais, Super-Wax und Java bezeichnet werden. Ihre Entstehung ist eng mit den kolonialen Handelsrouten verknüpft, und ihre komplexe Rezeptionsgeschichte umfasst sowohl Fremdzuschreibungen von Identität als auch die Selbstbestimmung des afrikanischen Kontinents.

In seinen Arbeiten kombiniert Shonibare die Stoffe und ihre Ornamente mit historischen Ereignissen und bekannten Vorbildern aus der westlichen Kunstgeschichte, um die kolonialen Verstrickungen insbesondere der europäischen Eliten aufzuzeigen. Einem großen Publikum wurde er auf der Documenta 11 durch sein monumentales Werk "Gallantry and Criminal Conversation" (2002) bekannt, das die Grand Tour britischer Adliger als überbordende sexuelle Ausschweifung parodiert. Shonibare kleidet lebensgroße, kopflose Skulpturen in aufwendig geschneiderte Kostüme, bevorzugt im Stil des Viktorianischen Zeitalters. Auch seine Filme und Fotografien sind opulent ausgestaltete Inszenierungen mit stark theatraler Wirkung, wodurch das Bühnenhafte und das Fiktive betont werden. Dem Künstler geht es nicht um eine Illustration von Geschichte, sondern um die Reflexion von gesellschaftlich-politischen Zusammenhängen, die bis in unsere Gegenwart Gültigkeit haben. Seine Kunst ist sehr politisch, jedoch tritt sie nicht mit erhobenem Zeigefinger auf, sondern amüsiert und parodiert durch theatralische Gesten, Rollenspiele und Maskeraden.

Die geopolitischen Auswirkungen von kolonialen Machtverhältnissen, Dekadenz und Gewalt thematisiert Shonibare auch in seinem ersten Film "Un Ballo in Maschera" (2004), den er in der Ausstellung der Nominierten für den Turner Prize zeigte. Seine bekannte Auftragsarbeit "Nelson’s Ship in a Bottle" (2010–2012) für die vierte Plinthe auf dem Trafalgar Square in London zeigt seine Auseinandersetzung mit Fragen von kolonialer Repräsentation im öffentlichen Raum.

In der mittlerweile ikonischen Fotoserie "Diary of a Victorian Dandy" (1998) schlüpft Shonibare selbst in die Rolle eines viktorianischen Dandys und lässt sich als Mittelpunkt des gesellschaftlichen Lebens feiern – als einziger Schwarzer unter lauter Weißen. Sein Verhältnis zum Viktorianischen Zeitalter ist ambivalent. Er hegt eine persönliche Begeisterung für dessen Stil, den raffinierten Luxus und den erlesenen Geschmack des Adels, und gleichzeitig betont er die inhumane Kehrseite des britischen Kolonialreichs. Die Darstellung von Macht, Reichtum und Eleganz als kulturelle Praxis der Oberschichten wird von Shonibare lustvoll zelebriert und zugleich unterwandert. Seine Viktorianer_innen werden durch die Verwendung von bunten "afrikanischen" Stoffen zu hybriden Modellen, deren Kleidung und Hautfarbe die Welt der feinen Leute in eine Bühne für subversive und emanzipatorische Narrative verwandelt.

Die Verstrickungen der europäischen Eliten in Kolonialismus, Ausbeutung und Unterdrückung kommen auch beispielhaft in der Arbeit "End of Empire" (2016) zum Ausdruck, die titelgebend für die Ausstellung im Museum der Moderne Salzburg wurde: Hier sitzen einander auf einer Wippe zwei Figuren gegenüber, deren Köpfe durch Globen ersetzt wurden. Sie verkörpern die feindlichen Kriegsparteien des Ersten Weltkriegs mit ihren kolonialen Einflusssphären. Der Titel "End of Empire" verweist darauf, dass der Erste Weltkrieg die erste grundlegende Erschütterung der imperialen Weltordnung darstellte und zum Erstarken antikolonialer Bewegungen weltweit führte. In jüngerer Zeit zeigt sich in Shonibares Werk ein starkes Interesse für Kartografie, geschichtliche Multiperspektivität und ein Nachdenken über Mobilität und kulturelle Identität. Er nutzt wiederholt Globen, um Weltbilder zu dokumentieren, zu dekonstruieren – und um unseren Blick zu weiten.

Derselbe aufklärerische Impuls kennzeichnet auch seine Serie an Bibliotheken, die er seit 2014 realisiert hat. Die Installationen bestehen jeweils aus mehreren tausend Büchern, die mit den für Shonibare typischen bunten Batikstoffen eingebunden sind. "The African Library" (2018), eine der eindrucksvollsten Arbeiten der letzten Jahre, ist dem Andenken derjenigen Personen gewidmet, die eine Rolle in den afrikanischen Unabhängigkeitsbewegungen gespielt haben und einen wesentlichen Beitrag zur Staatenbildung und zur Bildung eines modernen afrikanischen Bewusstseins geleistet haben.

Yinka Shonibare CBE
End of Empire
22. Mai bis 12. September 2021
Kurator_innen: Thorsten Sadowsky, Marijana Schneider