Trotz seines hohen Alters blieb der Maler bis kurz vor seinem Tod produktiv. Die aktuelle Ausstellung in der Neuen Galerie Graz präsentiert Werke von Hollegha aus den Jahren seit 2016 und macht den konsequent hohen Qualitätsanspruch des Künstlers sichtbar.
Den Anfang der Ausstellung macht die frühe Zeit, die für Hollegha den internationalen Erfolg bedeutete. Als Wolfgang Hollegha 1959 auf Einladung von Clement Greenberg nach New York kam, waren die ersten Stürme des „Abstrakten Expressionismus“, den man in Europa dem „Informel“ gleichsetzte, im Abklingen. Clement Greenberg, dessen Credo die „Flatness“ des Bildes war, kann als wesentlicher Sprecher der damaligen Avantgarde in New York angesehen werden. Greenbergs Engagement für Hollegha war einzigartig: Ein so bedeutender Vertreter des New Yorker Kunstbetriebs interessierte sich noch nie zuvor für einen österreichischen Künstler und wollte ihn ins amerikanische Kunstgeschehen integrieren. So fand sich Hollegha nach seiner Ankunft in den USA auf Augenhöhe mit den dortigen Entwicklungen.
In Einzel- und Gruppenausstellungen zeigte er seine Großformate und fand sich plötzlich in Gesellschaft von Maler:innen wie Morris Louis, Helen Frankenthaler, Kenneth Noland, Jules Olitski oder Barnett Newman wieder. Greenberg und die Maler Louis und Noland waren von der Großzügigkeit und Selbstständigkeit der Geste bei Hollegha begeistert. Seine Gemälde wurden als letzte Möglichkeiten der Malerei empfunden – „sie waren keine Bilder mehr“. Hollegha selbst sah seine Gemälde durchaus als Bilder mit Bezügen zur realen Welt und nicht nur als zweidimensional im Sinne der „Flatness“. Sie öffneten Räume und zeigten die Gegenstandswelt höchst subjektiv. Das war zwar der Grund für das Ende der direkten Zusammenarbeit mit Greenberg, jedoch gingen in der Folge andere Türen auf. 1961 wurde Hollegha als einziger Europäer mit einem der „Carnegie International Awards“ ausgezeichnet. Ausstellungen in den USA und im ICA in London, auf der „documenta III“ 1964 sowie als Vertreter Österreichs auf der Biennale von São Paulo 1967 stellten den Künstler erneut in die erste Reihe. Die Rezeption im angloamerikanischen Raum riss nicht ab.
Als sich Wolfgang Hollegha 1962 nördlich von Graz am Rechberg einen Bauernhof kaufte und sich dort zurückzog, war das nur bedingt ein Rückzug. Die Abgeschiedenheit erlaubte ihm vielmehr, seinen Weg konsequent weiterzugehen. Er blieb der einzige österreichische Maler seiner Generation, der in der Tradition von Morris Louis mit Schüttungen auf liegenden Leinwänden arbeitete und ein herausragendes koloristisches Werk schuf. Bei der Methode des Schüttens, die Hollegha schon praktizierte, bevor er 1960 nach Amerika kam, spielt der körperliche Einsatz eine Rolle. Im Gegensatz zur gefeierten Radikalität des „Ausstiegs aus dem Bild“ nutzte er die Körpermotorik jedoch nicht als Performance. Sein Ziel war es stets, ein Bild zu schaffen und die Grenzen der Malerei auszuloten, ohne sie zu verlassen. Körperliche Bewegung ist für ihn Wahrnehmung. Durch die Bewegung beim Zeichnen verinnerlicht der Künstler das Wahrgenommene und kann es anschließend in der Malerei visualisieren. Hollegha verwandelt die reale Natur in eine der Malerei. Das Körperliche bzw. das Leibliche war bei ihm wesentlich vielschichtiger als andernorts.
Mit zunehmendem Alter wurde Hollegha sich bewusst, dass er sein künstlerisches Handeln erklären wollte. Er wollte sich selbst und dem Publikum mehr Hinweise geben und seine künstlerische Praxis klarer ausdrücken. Deshalb sind in dieser Ausstellung erstmals eine Gruppe von Gemälden und Zeichnungen zu sehen, die ein und dasselbe Motiv – „Die blaue Mütze“ – als Ausgangspunkt haben. Der Abstraktions- bzw. Verwandlungsprozess von der Realität in die Malerei wird dabei nahezu didaktisch erfahrbar. Man kann sehr gut nachvollziehen, wie er in den Zeichnungen noch nah am Motiv ist, während er in den Gemälden bereits stark abstrahiert.
Wolfgang Hollegha (* 1929) verstarb im Dezember 2023 in seinem Haus am Rechberg. Seine letzten Pläne betrafen eine Ausstellung in der Neuen Galerie mit neuen und kaum gesehenen Bildern und Zeichnungen. Es entstanden jedoch keine neuen Gemälde mehr, sondern nur noch Zeichnungen. Denn das Malen war für Wolfgang Hollegha in vielfacher Hinsicht ein Körpereinsatz. Die letzten Bilder stammen aus den Jahren 2018 und 2019.
Es gibt allerdings Unaussprechliches.
Der Maler Wolfgang Hollegha
Bis 2. November 2025