Wie man Sushi verzehrt

24. März 2014 Kurt Bracharz
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Das japanisch-englische, in Japan gedruckte Buch "Sushi" von Kazuo Nagayama (Text), Hiroshi Yoda (Fotografie) und Kazuhiko Tajima (Buch-Design) enthält in einem mit "Etiquette" betitelten Abschnitt 12 Regeln für den Konsum von Edomae-Sushi an der Theke einer Sushi-Bar, die im Folgenden in sinngemäßer Übertragung (also nicht wörtlich übersetzt) wiedergegeben werden:

1.) Der Konsument sollte sich über das Niveau des Lokals hinsichtlich Qualität und Preisen im klaren sein und auch seinerseits entsprechende Anforderungen stellen können. Ein Itamae (Sushi-Chef) hat den Ehrgeiz, nur das Allerbeste und Seltene zu bieten, und braucht Gäste, die das auch zu schätzen wissen.

2.) Es geht um einen gemeinsamen Glücksmoment in einer Atmosphäre von Vertrauen, Geschick und Zurückhaltung; keinesfalls dürfen andere Gäste gestört werden.

3.) Zwischen Gast und Chef ist eine gewisse Distanz einzuhalten, während sich beide der Köstlichkeit der Speisen erfreuen.

4.) Gäste mit "normalen" Ansprüchen sind lieber gesehen als selbsternannte Connoisseure.

5.) Ein Gespräch über die Reputation und die Einschätzung anderer Sushibars ist unerwünscht und sollte auf ein absolutes Minimum reduziert werden.

6.) Es gibt Kunden, die ihre Auswahl komplett dem Chef überlassen, solche, die ihre persönlichen Vorlieben herausstreichen, und solche, die das Menü zum Fixpreis nehmen. Wer nicht so recht weiß, was er nehmen soll, ist am besten daran, wenn er sich vom Chef beraten lässt.

7.) Man kann beim Verzehr der Sushi mit seinen Favoriten beginnen, aber klüger ist es, mit den milderen Aromen anzufangen.

8.) Die Temperatur von Reis und Auflagen ist ein ganz wesentlicher Punkt, deshalb sollte man Sushi so schnell wie möglich nach ihrer Anfertigung verzehren.

9.) Sojasauce gehört nur auf die neta (also den Fisch etc.), niemals auf den Reis! Man taucht also mit der neta nach unten ein – wenn überhaupt.

10.) Man kann mit Stäbchen oder aus der Hand essen, beides ist akzeptabel. Auch ob man Sushi beim In-den-Mund-Stecken mit der neta oben oder unten hält, bleibt dem persönlichen Geschmack überlassen.

11.) Man kann sagen, wieviel Wasabi man haben möchte.

12.) Eingelegter Ingwer und Tee reinigen den Gaumen; man kann davon soviel verlangen, wie man möchte.

Das sind natürlich japanische Regeln. Sushi aus der Tiefkühltruhe (siehe Punkt 8), Sushi in von Thailändern oder anderen Nicht-Japanern betriebenen Lokalen und Sushi im Supermarkt mit Lachs und Thunfisch von einer Qualität, die ein Itamae nicht mit Handschuhen anfassen würde (in Bayern würde man sagen: nicht mit dem Arsch anschauen würde), kann man klarerweise essen, wie man will, auch die Maki mit den Stäbchen anbohren oder zerfallenen Reis aus der Sojaschale löffeln. Hier man macht sich eher lächerlich, wenn man nur die neta in die Sojasauce taucht. In Japan kann Personen, welche die Regeln für angemessenes Verhalten höchstwahrscheinllich nicht kennen, der Zutritt zu hochwertigen Sushi-Lokalen auch verweigert werden, ohne dass man sich über Rassismus beschweren könnte.