Wie das Licht auf die Leinwand kam

Welcher Impressionist malte auf kubanischen Zigarrenkisten? Wie spontan arbeitete van Gogh wirklich? Welches Geheimnis offenbart das Röntgenbild eines Renoirs und woran erkennt man ein gefälschtes impressionistisches Gemälde? Diese und weitere spannende Fragen beantwortet im Frühjahr 2008 die Kölner Sonderausstellung "Impressionismus – Wie das Licht auf die Leinwand kam".

Anhand von rund 130 Exponaten führt die Schau die Besucher durch die faszinierende Welt der impressionistischen und postimpressionistischen Malerei. Neben den Meisterwerken von Caillebotte, Gauguin, Manet, Monet, Pissarro, Renoir, Signac oder van Gogh sind moderne, technologische Aufnahmen eben dieser Bilder zu sehen. Diese Gegenüberstellung von Kunst und Forschung bietet einen einzigartigen Blick hinter die Kulissen des Impressionismus. Für die Schau verstärkt das Wallraf seinen Gemäldebestand mit hochkarätigen Leihgaben aus dem Amsterdamer Van Gogh Museum, der National Gallery of Scotland in Edinburgh, dem Pariser Musée d`Orsay, der Tate Gallery in London und dem Art Institute of Chicago.

Unterhalb der sichtbaren Oberfläche befinden sich in jedem Gemälde zahlreiche Informationen. Nur aufwändige, technologische Untersuchungen legen sie frei. Ein solches, umfangreiches Projekt startete im Jahre 2002 unter dem Titel "Maltechnik des Impressionismus und Postimpressionismus". Seitdem erforscht ein Team von Wissenschaftlern (Restauratoren, Naturwissenschaftler und Kunsthistoriker), unterstützt von namhaften Experten aus aller Welt, 75 Gemälde aus dem Bestand des Wallraf und der Fondation Corboud.

Mit Hilfe modernster Techniken (Stereomikroskopie, naturwissenschaftliche Materialanalyse sowie Röntgen-, Ultraviolett und Infrarotstrahlung) und detektivischem Spürsinn werden die kostbaren Werke untersucht. Das Forscherteam analysiert die unterschiedlichen Entstehungsprozesse, prüft die natürlichen Alterungserscheinungen oder fahndet nach gezielten Manipulationen. Damit eröffnet sich ein neuer Blick auf die Geschichte und Rezeption jedes einzelnen Bildes. Die Restaurierungsabteilung im Wallraf ist die Zentrale dieses Forschungsprojektes und für die Ausstellung verantwortlich.

Mit "Impressionismus – Wie das Licht auf die Leinwand kam" präsentiert das dreiköpfige Team, bestehend aus Iris Schaefer, Caroline von Saint George und Katja Lewerentz, die faszinierenden Ergebnisse der spannenden Forschungsarbeit. Dabei zeichnen die Kuratorinnen den Weg von der Sinneswahrnehmung, über die angewendeten Malmaterialien, die "Tatorte" im Atelier oder der freien Natur, sowie die Maltechnik und Werkgenese bis hin zur Rezeption und Erhaltung der Bilder nach.

Die Ausstellung ist nach sechs Leitfragen gegliedert und beginnt mit dem Kapitel "Was ist eine Impression?" Spielerisch werden hier die physikalischen Grundlagen von Licht, Farbe und Sinneswahrnehmung am Beispiel eines Monets thematisiert. So imitieren Projektionen und wechselnde Beleuchtungssituationen die unterschiedlichen Tageszeiten zu denen Impressionisten arbeiteten, um den Einfluss des Lichtes auf die Bilder zu veranschaulichen.

Der nächsten Abschnitt beantwortet die Frage: "Womit malten die Impressionisten?". Dazu sind in einer nachempfundenen Künstlerbedarfshandlung des 19. Jahrhunderts historische Malutensilien wie Pinsel, Leinwand, Palette, Grundierungen und Farben ausgestellt. Der immense Einfluss des technischen Fortschritts auf die impressionistische Malerei darf nicht unterschätzt werden. Neu entdeckte Farbtöne bieten den Künstlern ungeahnte Möglichkeiten und auch die Erfindung der Tubenölfarben erleichterte den Impressionisten ihre legendäre Pleinairmalerei (Freilicht).

Auch der Arbeitsplatz eines Malers im 19. Jahrhundert verändert sich. Das Atelier ist nun nicht mehr Zentrum seiner Arbeit. Viele Künstler zieht es in die Nähe ihrer Motive, nach draußen. Doch woran erkennt der Betrachter heutzutage den ursprünglichen "Tatort" eines Gemäldes? Das dritte Ausstellungskapitel "Drinnen oder draußen?" gleicht einer Spurensuche. In jedem Gemälde stecken zahlreiche Indizien. In einem ausgestellten Seestück von Guillaumin zum Beispiel entdeckten die Forscher unzählige Sandkörner und in einem Caillebotte-Gemälde sogar eine Pappelknospe. Deutliche Beweise für ein tatsächliches Malen in der Natur. Dazu passend hat das Ausstellungsteam eine Atelier- und eine Freilichtsituation mit vielen Originalrequisiten nachgestellt.

Einen Moment spontan auf die Leinwand zu bannen, das war das große Ziel vieler Impressionisten. Doch wie schnell waren sie wirklich? Die Antwort liefert der vierte Ausstellungsabschnitt "Spontan oder strategisch?" Dank moderner Technik schaut die Forschung auf, in und sogar durch ein Bild. Unsichtbare Bildplanungen und Unterzeichnungen bleiben dabei ebenso wenig verborgen wie spätere Überarbeitungen oder Zweitverwendungen bereits bemalter Bildträger. Die Aufnahmen überraschen mit der Erkenntnis, dass Caillebotte, Gauguin oder van Gogh zuweilen sehr strategisch zu Werke gingen. Unter der spontan anmutenden Fassade befindet sich manch akribische Vorstudie. Van Gogh zum Beispiel hat seine legendäre "Zugbrücke" in drei Stufen geplant, bevor er mit Ölfarbe zu malen begann. Dem Bild sieht man die verschiedenen Vorbereitungen (Übertragung mit Hilfe eines Perspektivrahmens, Bleistift und Tuschezeichnung) nicht an. Es wirkt spontan und wie aus einem Guss.

Viele Zeitgenossen prangerten die scheinbar fehlende Vollendung bei impressionistischen Bildern an. Daher stellt die Ausstellung im fünften Abschnitt die Frage: "Wann war ein Bild fertig?" Die skizzenhafte Malweise und der häufige Verzicht auf Signatur und Firnisauftrag widersprachen den sprichwörtlichen Regeln der Kunst. Dies stellte allerdings Kunsthändler, Sammler und Kritiker, aber auch die Künstler selbst vor nicht gekannte Probleme. Wie behandelt, konserviert und veräußert man ein solches Gemälde? Zu einem neuen Zeichen der Vollendung wurde bei vielen Impressionisten und Neoimpressionisten indessen der Gemälderahmen: Seine Form und Farbfassung sollte mit der Malerei harmonieren und ihre Leuchtkraft steigern. Camille Pissarro zum Beispiel war ein großer Verfechter des schlichten, weißen Rahmens. Originalgerahmte, impressionistische Gemälde sind heute äußerst selten. In der Schau können die Besucher die Wirkung eines originalgerahmten Bildes studieren.

Jedes Kunstwerk verändert sich: Natürliche Alterung und manipulative Eingriffe bestimmen diesen Prozess. Nur die technologische Untersuchung kann ihn nachzeichnen. Die Schau erklärt wie Veränderungen an Bildträger, Grundierung oder Farbschicht das gesamte Erscheinungsbild eines Gemäldes beeinflussen. Zudem wird an einem Gemälde Pissarros verdeutlicht, wie Bilder von fremder Hand mit zahlreichen Pinselstrichen ergänzt und vermeintlich vollendet wurden. Zutaten dieser Art waren bei impressionistischen Werken keine Seltenheit. Sie sind ein zeitgenössischer Spiegel dafür, wie man die Kunst sah oder vielmehr sehen wollte. Ähnlich verhält es sich mit gefälschten Werken, die noch zu Lebzeiten des Künstlers entstanden. Sind sie doch ein deutliches Zeichen für die öffentliche Anerkennung eines Künstlers. Die technologische Untersuchung enttarnt nicht nur Fälschungen. Im besten Fall kann sie helfen die Autorschaft eines Werkes zu klären. Hier stellt das Ausstellungsteam erstmals die spektakuläre Zuordnung eines wohlmöglich von Edouard Manet stammenden Gemäldes zur Diskussion.

Mit der Fondation Corboud beheimatet das Wallraf die umfangreichste Sammlung impressionistischer und neoimpressionistischer Malerei in Deutschland. Sie ist die Basis für das Forschungsprojekt "Maltechnik des Impressionismus und Postimpressionismus". Unter der Leitung der Restaurierungsabteilung im Wallraf arbeitet ein Team von Wissenschaftlern (Restauratoren, Naturwissenschaftler und Kunsthistoriker), unterstützt von namhaften Experten aus aller Welt, in enger Kooperation mit dem Institut für Restaurierungs- und Konservierungswissenschaft (CICS) der Kölner Fachhochschule an der Untersuchung von 75 Gemälden. Die Sonderausstellung präsentiert nun endlich die erstaunlichen und teils brisanten Forschungsergebnisse der Öffentlichkeit.


Impressionismus: Wie das Licht auf die Leinwand kam
29. Februar bis 22. Juni 2008