Jeder kulinarisch Interessierte weiß es aus den Medien: Das beste Restaurant der Welt ist das "Noma" von René Redzepi in Kopenhagen. Und woher weiß man das? Aus der Liste der "S. Pellegrino 50 Best Restaurants", die seit 2002 jährlich in der britischen Zeitschrift "Restaurant Magazine" veröffentlicht wird. Die Zeitschrift lobt sich selbst für ihr Bewertungssystem, bei dem die 50 angeblich Besten aus einer Gruppe "von 800 anerkannten Restaurantexperten" gewählt werden.
Im Fachmagazin "Rolling Pin" Nr. 126 schrieb die Journalistin Nina Wessely dazu: "In 27 definierten Regionen agiert jeweils ein Team aus 31 Mitgliedern, bestehend aus Chefköchen, Restaurantbetreibern und Gastrokritikern sowie dem jeweiligen Regionspräsidenten. Jedes Teammitglied muss vier Restaurants aus der eigenen Region sowie drei Betriebe außerhalb der jweiligigen Region bewerten. Präsentiert werden die Ereignisse allerdings erst bei der feierlichen Verleihung, die 2012 in einer Kirche mitten in London stattfand."
Bei dem deutschen Restaurantkritiker Jörg Zipprick liest sich das ein wenig anders. Im Kapitel "Märchenerzähler" seines Buches "In Teufels Küche" (Frankfurt am Main 2011) schreibt er: "Dort presst die Redaktion die Weißmützen der Welt in eine Rangliste zwischen 1 und 100. Wirklich vermarktet werden jedoch nur die 50 Besten. Getestet wird kein einziges Lokal, das könnte Geld kosten." Und doch: "Dem Nestlé-Konzern, vielmehr der Tochtermarke San Pellegrino, ist das Wissen um die 50 weltbesten Köche eine Menge Geld wert. (...) Die Welt des Essens braucht, wie gesagt, strenge Ordnung. Dazu gehört, dass am Ende der Wahl (...) ein Molekularkoch oder einer seiner Schüler gewinnt. In der Regel ist das der Spanier Ferran Adrià, in Ausnahmefällen auch der Brite Heston Blumenthal, oder, wie 2010, Adriàs Schüler René Redzepi, der Mann mit dem Eselschweiß."
Zipprick war 2009 einer der Juroren der französischen Delegation. Schon im Vorgespräch legte man ihm nahe, für das Pariser Lokal "Le Châteaubriand" zu stimmen. "Die eigentliche Wahl der 50 besten Restaurants der Welt ist simpel: Eine E-Mail trudelt ein, die Juroren klicken auf den Link zu einer Webseite und werden aufgefordert, fünf beliebige Namen abzugeben. Ob "Harrys Fritten-Fürstentum" oder "Le Louis XV", jedes Restaurant der Welt ist wählbar." Nur das eigene Lokal dürfen die beteiligten Chefköche nicht wählen.
Die Wahl ist anonym, auch die Juroren erfahren nicht, wie viele Stimmen die einzelnen Restaurants auf welchen Plätzen erhalten haben. Zipprick zählt eine ganze Reihe von Namen auf, die belegen soll, dass (zumindest bis zum Jahr 2010, seither mag ja der Wind aus einer etwas anderen Richtung wehen) die Molekularköche, ihre journalistischen Claqueure und die Strippenzieher der Gastro-"Akademien" etc. stark genug vertreten waren, um ihre Kandidaten durchsetzen zu können. Sein Fazit: "Wie glaubhaft ist eine solche, auch in der deutschen Presse oft zitierte Liste? Ich glaube kein Wort davon. Zum einen, weil die Stimmberechtigten sorgfältig ausgewählt werden. Zum anderen, weil für mich kein weltbestes Restaurant existiert. Für mich gibt es das richtige Restaurant für die richtige Stimmung. Weltbester Koch ist dort immer derjenige, der die Erwartungen seiner Gäste übertrifft."
Die ersten Drei der aktuellen Liste sind das "Noma" in Kopenhagen, "El Celler de Can Roca" in Girona und das "Mugaritz" in San Sebastian. Der erste Österreicher, Heinz Reitbauer vom "Steirereck" in Wien, steht auf Platz Nr. 11, der zweite – an 91. Stelle – ist das "Landhaus Bacher" in Mautern. Die uns geographisch nächsten "weltbesten Restaurants" sind "Schloss Schauenstein" in Fürstenau (30.), "Die Schwarzwaldstube" in Baiersbronn (85.) und das "Tantris" in München (86.).
Heinz Reitbauer kommentierte seinen elften Platz plus die ebenfalls vergebene Auszeichnung für Nachhaltigkeit im "Rolling Pin" patriotisch: "Ich freue mich besonders, dass wir als kleines Land weltweit so wahrgenommen werden. Es ist wirklich sehr schön zu sehen, dass mein Credo, hauptsächlich mit kleinen Landwirtschaften und österreichischen Produkten zu arbeiten, auch international Früchte trägt. Österreich wieder stärker auf der kulinarischen Landkarte vertreten zu sehen, freut mich ungemein."