Weltpremiere: Mehrarmiger Industrieroboter dirigiert Dresdner Sinfoniker

Als erstes Orchester der Welt haben sich die Dresdner Sinfoniker von einem Roboter dirigieren lassen und damit Musikgeschichte geschrieben. Konkret handelt es sich um einen mehrarmigen Industrieroboter, der als Maestro agiert und einzelnen Gruppen im Orchester damit auch unterschiedliche Tempi vorgeben kann. Bei der Premiere der "Roboter.Sinfonie" im Dresdner Festspielhaus Hellerau am vergangenen Samstagabend funktionierten Technik und Musiker fehlerlos und begeisterten das Publikum.

Mit der "Roboter.Sinfonie" feiern die Dresdner Sinfoniker ihr 25-Jahr-Jubiläum. Der Dirigent Magnus Loddgard teilte sich das Dirigentenpult mit einem Industrieroboter, der in Zusammenarbeit mit dem Exzellenzcluster CeTI (Centre for Tactile Internet with Human-in-the-Loop) der Technischen Universität Dresden lernte, wie der Taktstock geschwungen wird.

"Die Kooperation zwischen Menschen und Robotern spornt unsere Forschung bei CeTI seit jeher an. Unsere Vision ist dabei eine aktive Zusammenarbeit, in welcher Roboter den Menschen unterstützen und menschliche Fähigkeiten auf Robotik übertragen werden. Spannend und relevant wird dies bei Tätigkeiten, die ein einzelner Mensch nicht alleine schaffen kann, aber auch bei komplexen Arbeiten, bei denen ein hohes Mass an verlässlicher Präzision erforderlich ist. Ganz genau so, wie hier bei der Roboter.Sinfonie," sagt Prof. Frank Fitzek, Sprecher CeTI.

Im ersten Teil des Konzerts standen eine Uraufführung von Markus Lehmann-Horn, sowie Werke von Konstantia Gourzi und Wieland Reissmann auf dem Programm. Nach der Pause übergab Dirigent Magnus Loddgard die Leitung des Ensembles an den Roboter. Conlon Nancarrows Canon X und das bei Andreas Gundlach beauftragte Jubiläumswerk nutzten dabei alle Möglichkeiten des maschinellen Dirigats, insbesondere die rhythmisch-motorischen Fähigkeiten des Roboter-Dirigenten.

"Anlässlich unseres Jubiläums haben wir Nancarrows berühmten Canon X - ursprünglich für ein selbstspielendes Playerpiano geschrieben - für unsere Besetzung arrangieren lassen. In diesem Stück überkreuzt sich das geteilte Orchester im Tempo, beschleunigt und verlangsamt also gleichzeitig. Während das Dirigat eines solchen Werkes für einen Menschen eine nahezu unlösbare Aufgabe bedeutet, stellt es für den Roboter kein Problem dar. Aber werden unsere Musikerinnen und Musiker zwei entgegengesetzt agierenden Roboterarmen folgen können? Das ist eine Frage, die ich noch nicht beantwortet kann," erläuterte Markus Rindt, Intendant der Dresdner Sinfoniker, noch vor dem Konzert.

Zum Gesamtunterfangen gehört auch ein Vermittlungsprojekt mit Schülerinnen und Schülern der 8. und 9. Jahrgangsstufe des Gymnasiums Dresden-Johannstadt. In Zusammenarbeit mit dem CeTI der TU Dresden hat der Dresdner Choreograf Norbert Kegel zusammen mit den Jugendlichen eine Choreografie entwickelt, in der sie mit einem Roboterhund interagieren. Der kreative Prozess gibt ihnen Einblick in die Welt der Robotik und lässt Raum für Fragen zum heutigen und zukünftigen Einsatz von neuen Technologien. Die von den Schüler:innen erarbeitete Choreografie wird Kernstück eines Kurzfilms, der im Konzert präsentiert wird.

Wie auch schon in früheren Projekten wollen die Dresdner Sinfoniker mit der Roboter.Sinfonie laut Mitteilung über die Musik gesellschaftlich relevante Themen ansprechen und Fragen stellen: Wie gehen Künstler, wie gehen wir mit neuen Technologien um, die geeignet sind, unsere Gesellschaft grundlegend zu verändern? Wo könnten neben bekannten Risiken auch grosse Chancen liegen? Entsteht womöglich ein neuer, ganz eigener musikalischer Ausdruck als Ergebnis der Zusammenarbeit von Mensch und Maschine? Wo bleiben Interpretation und Charisma? In der Roboter.Sinfonie hat der Mensch zwar die kreative Kontrolle und das letzte Wort. Aber die Grenzen werden fliessender.