Weder entweder noch oder

Vom 31. Mai bis 3. August 2008 zeigt der Württembergische Kunstverein Stuttgart die internationale Gruppenausstellung "Weder entweder noch oder". Die Ausstellung versammelt Werke von neun Künstlerinnen und Künstlern, die sich formal zwischen Video- und Filminstallation, Fotografie und Performance bewegen. Die Nähe der Werke zueinander stellt sich dabei eher durch strukturelle Gemeinsamkeiten als durch eine bestimmte inhaltlich thematische Fragestellung her: Sie alle adressieren auf radikale Art und Weise Fragen der Lesbarkeit, Grenzfälle des Verstehens und des Verständlichen.

So verwenden die Arbeiten bewusst vielschichtige, teilweise widersprüchliche Codes und Verweise, die ein Übermaß an Deutungsangeboten produzieren und so das Vordringen zu einem Bedeutungs-"Kern" verhindern. Andere machen Formen des Verschwindens, Vergessens, der Verstellung und Verwandlung zu ihrem Gegenstand. Der Sprache als Instrument, durch das wir Bedeutung produzieren und entschlüsseln, unsere Erfahrung organisieren und systematisch erfassen, sowie als Medium eines "anderen" Sinns (des Nonsense, der Paradoxie, der Täuschung, des Traums), kommt hier eine zentrale Bedeutung zu: Wort und Geste treten auf als unendlich flexible Erzeuger von Ordnung und Zerstreuung.

David Lamelas" Reading Film etwa basiert auf einem Text über die Paradoxien zwischenmenschlichen Verhaltens. Wir lesen zunächst den abgefilmten Text, der uns anschließend vorgelesen wird. Der Film, der zugleich ein Text und eine Lektüre ist, verwickelt uns so in ein Spiel mit den Konventionen des "Lesens" medialer Codes und stellt die Rolle des Betrachters als autonomen Interpreten in Frage.

Sven Augustijnens Video L"école des pickpockets dokumentiert zwei professionelle Taschendiebe bei der praktischen Vermittlung ihres Handwerks an einen Laien. Es bleibt im Dunkeln, ob diese "Schule der Taschendiebe" tatsächlich existiert, ist es doch gerade das Unwissen der Öffentlichkeit um seine Tricks und Strategien, das den Erfolg eines Taschendiebs garantiert.

Auch Wood & Harrisons performancebasierte Arbeit Board spielt mit einer Form der Täuschung. Durch die Manipulation einer beweglichen Wand im Raum wird dieser flexibel und beginnt, sich mit den Bewegungen der Künstler zu transformieren.

Ganz wesentlich reflektiert die Ausstellung damit auch die Beziehung von Sprache und Handlung zum Raum, die Vermittlung zwischen dem Raum des Kunstwerks und dem der Betrachter. Die Arbeiten erzeugen eine permanente Unsicherheit darüber, was wir sehen, wie wir es sehen und wo wir stehen. Indem sie die Betrachter zwingen, sich ständig neu zu positionieren, erlangen sie eine fast performative Dimension. Die reflexive Distanz, aus der innen/außen, wahr/falsch, weder/noch und entweder/oder als Alternativen erscheinen, verflüchtigt sich.

Beteiligte Künstler: Ignasi Aballí, Sven Augustijnen, Enrico David, David Lamelas, Renzo Martens, Gail Pickering, Emily Wardill, John Wood & Paul Harrison


Weder entweder noch oder
31. Mai bis 3. August 2008