13. Februar 2017 - 2:57 / Ausstellung 
30. Oktober 2016 19. Februar 2017

Sind die "Sixties" wirklich wieder im Kommen? Die britische Pop Art jedenfalls scheint aktueller denn je. Ob Konsumreflexion, die Gefahren der Macht- und Atompolitik oder die Befragung von Geschlechterrollen: Die zentralen Themen der Pop Art aus Großbritannien, die nach dem Zweiten Weltkrieg Kunst und Medien ebenso wie Kunst und Leben auf neue Art verbindet, bewegen uns noch immer.

Auch hat die im Gegensatz zur US-Variante mehr aufgeraute und vielschichtigere Ästhetik der britischen Pop Art nichts von ihrem besonderen Appeal verloren. Jenseits von Oberflächenreizen werden hier immer wieder große Fragen wie die Rolle der Medien oder des Menschen in der Konsumgesellschaft verhandelt.

Genau 60 Jahre nach Richard Hamiltons bahnbrechender Multimedia-Installation "Fun House", realisiert für die Ausstellung "This is tomorrow" in London, verbindet die ambitionierte Großausstellung "This was tomorrow" im Kunstmuseum Wolfsburg in einer multimedialen Inszenierung Malerei, Skulptur, Collage, Architektur, Zeichnung, Installation, Film, Musik und Fotografie zu einem einzigartigen Panorama der Pop Art in Großbritannien – zum ersten Mal seit Uwe M. Schneedes Präsentation "Pop Art in England" 1976 im Kunstverein Hamburg.

Was konkret ist kulturhistorisch neu und anders an dieser Ausstellung? Der intensive Blick auf weibliche Akteure der Pop Art, der starke Fokus auf die eng mit der Kunstszene vernetzten, zukunftsweisenden Architekten Alison und Peter Smithson, Cedric Price und Archigram, ferner die dezidierte Einbeziehung von Musik, Zeitschriftenkultur, Fernsehen und Film als gleichwertigen Medien weiterer Grenzüberschreitung sowie der erweiterte Zeitrahmen: Der Bogen der Ausstellung spannt sich von Eduardo Paolozzis frühen Pariser Collagen von 1947 bis zum Höhe- und Endpunkt des "Swinging London" 1968.

"This was tomorrow "macht erstmals im Zusammenhang erfahrbar, dass die britische Pop Art sich buchstäblich aus den Ruinen und dem Smog des London der Nachkriegszeit entwickelt hat, aus intellektuellen Diskussionen der Independent Group (IG) und Projekten am Institute of Contemporary Arts (ICA) quer durch alle Kunstgattungen. Die IG-Mitglieder – bildende Künstler, Architekten, Fotografen, Kunsthistoriker und Kulturkritiker – arbeiten ab Anfang der 1950er-Jahre intensiv an der Erweiterung des Kultur- und Bildbegriffs, denken kollektiv über Urbanität, Mobilität und die Stadt der Zukunft nach.

Die Ausstellungstitel der IG am ICA sprechen für sich: "Parallel of Life and Art" oder "Man, Machine and Motion" – ebenso wie jener der wegweisenden Schau in der Whitechapel Art Gallery: "This is tomorrow". Im Großbritannien der 1960er-Jahre wird diese, im zuerst noch überschaubaren, interdisziplinären Kreis entwickelte Methode und Bildsprache zu einem Kunst, Architektur, Film, Musik und Mode übergreifenden Phänomen – und erhält noch vor den USA eben dort seinen Namen: "Pop".

KünstlerInnen, ArchitektInnen, Filmregisseure, Musikbands und Fotografen in der Ausstellung: Michelangelo Antonioni, Archigram, David Bailey, The Beatles, Peter Blake, Derek Boshier, Pauline Boty, Patrick Caulfield, Antony Donaldson, Richard Hamilton, Jann Haworth, Nigel Henderson, David Hockney, Allen Jones, R. B. Kitaj, Gerald Laing, Roger Mayne, Lewis Morley, Eduardo Paolozzi, Peter Phillips, Cedric Price, Ken Russell, James Scott, Colin Self, Michael Seymour, Richard Smith, Alison und Peter Smithson, Lord Snowdon, Rolling Stones, Joe Tilson, The Who u. a. m.


Ausstellungskatalog: Zur Ausstellung erscheint im Wienand Verlag das gleichnamige umfassende Katalogbuch in deutscher und englischer Ausgabe, herausgegeben von Ralf Beil und Uta Ruhkamp, mit Essays von Ralf Beil, David E. Brauer, Anne Massey, Rainer Metzger, Uta Ruhkamp und John-Paul Stonard, Texten u. a. von Daniel F. Herrmann, Kay Heymer, Francis Outred, Sue Tate und Victoria Walsh sowie einer Chronologie der Jahre 1947 bis 1968. 432 Seiten mit ca. 400 Abbildungen, 24 x 31 cm, gebunden, gestaltet vom Bureau Mario Lombardo. EUR 38 im Museumsshop.

This was tomorrow
Pop Art in Great Britain 1947-1968
30. Oktober 2016 bis 19. Februar 2017

Kunstmuseum Wolfsburg
Hollerplatz 1
D - 38440 Wolfsburg

W: http://www.kunstmuseum-wolfsburg.de/

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