Walla. Foto.Text.=Ilien.! Im Netz des Gugginger Universalkünstlers August Walla.
Faszinierend, vielfältig, schillernd: August Walla (1936–2001) ist eine der interessantesten Gugginger Künstlerpersönlichkeiten. Wallas Ausgangspunkt ist ein selbsterschaffenes privatmythologisches Universum mit einer vielgestaltigen Götterwelt, einer eigens entwickelten Kunstsprache, Emblemen und Symboliken. Wallas weitläufigem Schaffen entspricht auch die Vielzahl der Medien, deren er sich bediente: Neben Malereien und Zeichnungen fertigte er unzählige Werke aus Textilien, Fotografien und Schriften, die aus seinem Œuvre nicht wegzudenken sind und ihn zu einem der vielseitigsten Künstler des 20. Jahrhunderts machen, so die Einschätzung von Kurator Johann Feilacher. Das Museum Gugging stellt ab 25. April 2019 Textilien, Fotografien und Schriften dieses schier unermüdlichen Gugginger Künstlers ins Rampenlicht.
August Walla zählt zu den vielseitigsten Künstler des 20. Jahrhunderts und ist zweifellos einer der bedeutendsten österreichischen Kunstschaffenden nach 1945. Am Ausgangspunkt seines Werks steht ein faszinierendes selbsterschaffenes privatmythologisches Universum mit einem Thema als Dreh- und Angelpunkt: der Tod und seine Überwindung. Um seine Gedankenwelt bildnerisch festzuhalten, spielt Walla mit unterschiedlichen Medien, die er gleichberechtigt einsetzt. Sein beeindruckendes Œuvre reicht von der Malerei bis zur Medienkunst und ist wie durch ein feines Gewebe miteinander verbunden: Gemälde, Wandmalerei, Graffito, Zeichnung, Text, Plastik, Installation, Textilkunst, Kunst im öffentlichen Raum, Performance und Fotografie. In der Ausstellung des Museum Gugging legt nun Kurator Johann Feilacher erstmals den Fokus auf textile Arbeiten, Fotografien und Schriften des Künstlers und präsentiert Funde aus den Gugginger Archiven.
Wallas Wörter
August Wallas Schaffen reflektiert seine intensive Auseinandersetzung mit der geschriebenen Sprache und seine Leidenschaft für Wörter aus fremden Sprachen. Wallas Privat- und Geheimsprache, von ihm selbst als „Welltallendefremdsprache“ bezeichnet, besteht aus Wortschöpfungen, die er aus fremden Sprachen und auch deutschen Wörtern zusammensetzt. Walla arbeitet dabei mit Wiederholungen einzelner Wörter oder Buchstaben, schreibt die russisch-kyrillische Schrift so, als ob sie dem lateinischen Alphabet entnommen wäre, und liebt Abkürzungen wie KPÖ (Kommunistische Partei Österreichs), Nsdap (Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei) oder Ddsg (Donaudampfschifffahrtsgesellschaft). Autorin Gisela Steinlechner: „Das Nischenleben, das August Walla als gesellschaftlicher Außenseiter führte, war der Ausgangs- und Kontrapunkt seines nicht versiegenden Wörterstroms, mit dem er alle nur denkbaren Schreibflächen überzog: Blechtafeln und Ofenschirme, Straßen und Bäume, Kochtöpfe, Haus- und Zimmerwände, Bretter, Pappe und Schreibmaschinenpapier, Leinwände, Schulhefte, Postkarten, Innendeckel von Buchumschlägen, Rückseiten von Schokoladepapier und Partezetteln, Arzneimittelvertreterblöcke, Textlücken in Romanen und Fachbüchern. Durch das Beschriften erklärte Walla alles zu seinem Territorium, er markiert sein Umfeld und kassiert es ein […]“.
Fotografien – Wallas Körper, Wallas Welt
August Walla beschwor sein mythisch-magisches Universum mit vollem Körpereinsatz. Walla selbst und seine Räume mit Objekten sind Teil seiner Inszenierungen. Aloisia Walla, Mutter und Verbündete des Künstlers, war oftmals diejenige, die diese Aktionen fotografisch festhielt. Mit der fotografischen Praxis Wallas und seiner Mutter Aloisia „verewigten“ diese Wallas Inszenierungen ein weiteres Mal, diesmal auf Fotopapier. Über dokumentarische Aufnahmen hinaus hat Walla ab Ende der Sechzigerjahre ein umfangreiches fotografisches Werk geschaffen, das in sich sehr vielfältig ist: Landschaften, Interieurs, Werkdokumente. Walla arrangiert sein fotografisches Motiv – oft herrscht eine geometrische Ordnung innerhalb des Bildes. Die Objekte auf den Fotos sind gefundene und zusammengetragene Gegenstände, aus denen er dann unter anderem Schrifttafeln, Holzkästchen, Fahnen und noch viele andere Dinge kreierte, die sein plastisches Werk darstellen.
Wallas Leben – Nationalsozialismus, Psychiatrie und Leben in der Au
Der Gugginger Künstler August Walla (22.06.1936 – 07.07.2001) wuchs bei seiner Mutter Aloisia (1896–1993) und seiner Großmutter Rosina Walla (1867–1942) auf, zu seinem Vater Augustin Gutmayer (1876–1960) gab es so gut wie keinen Kontakt. Ein folgenschweres und einschneidendes Ereignis sollte für Walla der Tod seiner Großmutter sein, die starb, als Walla sechs Jahre alt war. Der Tod der Großmutter markiert die Anfänge von August Wallas Privatmythologie, deren zentrales Thema die Überwindung des Todes ist.
August Walla besuchte Kindergarten und Volksschule in Klosterneuburg. Aufgrund von Auffälligkeiten verbrachte er in frühem Alter sein siebtes bis neuntes Lebensjahr in Anstalten – auch in der berüchtigten Jugendfürsorgeanstalt „Am Spiegelgrund“ auf der Baumgartnerhöhe in Wien, die wegen Euthanasieverbrechen in die Geschichte einging. Walla entsprach dort beim Intelligenztest nach Binet seiner Altersstufe, was ihm vermutlich das Leben rettete. Es finden sich zu dieser Zeit schon Notizen in Krankengeschichten, die im weitesten Sinne von kreativen Zeichnungen des jungen August Walla sprechen. Am 12. Februar 1945 kam Walla wieder zu seiner Mutter nach Klosterneuburg, wo er 1951 seine Schulausbildung beendete. In der damaligen „Heil- und Pflegeanstalt Gugging“ hielt er sich zwischen den Jahren 1952 und 1975 insgesamt sechs Mal über unterschiedlich lange Zeiträume auf. Anerkennung als Künstler erfuhr Walla erst, als Leo Navratil, Psychiater der Gugginger Anstalt, im Jahr 1970 sein künstlerisches Talent entdeckte. So fiel Navratil Wallas große, stilisierte Schrift auf, und er forderte ihn auf, eine Zeichnung zu machen, deren Inhalt ihn überraschen sollte: August Walla kam nicht nur der Aufforderung nach, einen Menschen zu zeichnen, er offenbarte ihm vielmehr seine gesamte Philosophie in all seinen künstlerischen Ausdrucksmitteln.
Bis 1983 lebten August Walla und seine Mutter in verschiedenen Wohnungen in Klosterneuburg, die ihm auch als Fläche für seinen künstlerischen Ausdruck dienten. Er gestaltete sein Umfeld, indem er seine Philosophie sowie sein gesamtes künstlerisches Spektrum nach außen trug. Das zeigte sich auch im Schrebergarten im Augebiet der Donau, wo die Wallas die Sommermonate verbrachten. Walla übersäte den Garten mit seinen Inschriften, Emblemen und Symbolen. Im November 1983 zogen August Walla und seine Mutter in das jetzige Haus der Künstler in Maria Gugging, 1984 wechselte die Mutter aufgrund ihrer Pflegebedürftigkeit in die geriatrische Abteilung der Anstalt. Wie bereits in Klosterneuburg gestaltete August Walla auch im Haus der Künstler seine Umgebung. Sofort überzog Walla seinen Raum von den Wänden bis zur Decke mit Symbolen, Göttern und Schriften. Von 1987 bis 1988 entstand ein „zweites“ Zimmer dadurch, dass Walla vor den Zimmerwänden aufgestellte Leinwände bemalte, die anschließend an verschiedenen Ausstellungsorten als „Zimmer“ präsentiert wurden. 1984 malte Walla das Bildnis „TEUFEL.GOTT.!“ an die Fassade des Hauses der Künstler. Im selben Jahr entstand eine über einen Meter lange Keramikwand mit dem Titel „Paradies“ beim Eingang des Geländes der „Heil- und Pflegeanstalt Gugging“, welche sich heute vor dem Museum Gugging befindet. 1986 bemalte Walla für André Hellers Kunstprojekt „Luna Luna“ einen Zirkuswagen. An diesem Projekt wirkten unter anderem auch Keith Haring, Georg Baselitz, Jean-Michel Basquiat und Salvador Dalí mit. 1990 erhielt Walla zusammen mit den Künstlern aus Gugging den Oskar-Kokoschka-Preis für Verdienste um die zeitgenössische Kunst.
Nach dem Tod der 97-jährigen Mutter 1993 wandelte sich August Wallas künstlerisches Schaffen. Die Themen und Inhalte änderten sich, es verschwanden die mythologischen Themen, und er ging zu Inhalten des täglichen Lebens über wie zum Beispiel dem Essen. Diese Periode dauerte bis zu seinem Tod am 7. Juli 2001.
Die Ausstellung ist eine Einladung in das unglaublich spannende und vielfältige Werk des Universalkünstlers August Walla. Eine Einladung in Wallas Weltallende und zu seinen Göttern und Teufeln, Symboliken, Sprachen und Schriften.
Die Informationen zu „Walla.Foto.Text.=Ilien“ stammen aus Nina Anspergers Artikel zu August Walla im Ausstellungskatalog „Gehirngefühl.! kunst aus gugging von 1970 bis zur gegenwart“ (Hg. Nina Ansperger, Johann Feilacher), Residenz Verlag: Wien/Salzburg 2018, S. 328–348 und „August Walla.! Weltallende“ (Hg. Johann Feilacher), Residenz Verlag, Wien/Salzburg 2012.
Walla. Foto.Text.=Ilien.!
25. April bis 1. September 2019
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