Wachet auf!

28. Juli 2010 Rosemarie Schmitt
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Es ist schwierig, bei so vielen hinreißenden Bächen nicht unterzugehen. Aber Johann Christoph Friedrich Bach, hielt sich wacker. Sein Vater, der große Johann Sebastian Bach war zweimal verheiratet und Vater von insgesamt zwanzig Kindern. Nicht alle überlebten, und keiner seiner Söhne konnte ihm in musikalischer Hinsicht je das Wasser reichen.

Was die Eltern dazu brachte, ihren Kindern solche Namen zu geben, ist für mich schwer zu verstehen. Stellen Sie sich mal vor, Sie rufen solch eine Anzahl Sprößlinge zum Essen: "Johann Christoph Friedrich, Carl Philipp Emanuel, Johann Gottfried Bernhard... kommt bitte sofort zu Tisch!"

Johann Christoph Friedrich Bach war ein Sohn aus der zweiten Ehe. In dem Jahr als er geboren wurde, es war im Sommer des Jahres 1732, komponierte sein Vater die Kantate "Schweiget still" (eher bekannt als die "Kaffeekantate"). Zunächst könnte man vermuten das Babygeschrei habe ihn dazu veranlaßt, doch er schuf ebenfalls in dem besagten Jahr die Kantate mit dem freundlichen Titel "Froher Tag, verlangte Stunden" (welche kaum bekannt sein dürfte, da das Notenmaterial hierzu verscholl).

Johann Christoph Friedrich Bach ist sehr zu meinem Bedauern fast ebenso unbekannt wie diese Kantate. Aber wie ich bereits sagte ist es sehr schwer, bei so vielen Bächen und solch einem mitreißenden Bach, wie sein Vater gewesen ist, nicht unterzugehen. Johann Christoph Friedrich komponierte 20 Sinfonien, von denen jedoch nur 8 überliefert wurden. Man nannte ihn auch den "Bückeburger Bach". Oh nein, er gehörte mitnichten jenem Menschenschlage an, der nach oben buckelt und nach unten tritt! Mann nannte ihn den "Bückeburger Bach", weil er 55 seiner fast 63 Lebensjahre am Bückeburger Hofe wirkte. Dort lernte er auch im Jahre 1759 seine spätere Frau, die Sängerin Lucia Elisabeth Münchhausen, kennen. Sie soll, ihrem Namen zum Trotze, eine sehr ehrliche und treue Seele gewesen sein.

Für den jungen Johann Christoph Friedrich war es ein gutes Jahr, denn neben seinem privaten Glück wurde er auch noch zum Concert-Meister ernannt. Er strebte jedoch nicht von Beginn an eine Karriere als Musiker an. Vielleicht weil er ahnte, wie schwierig es sein würde? Er studierte zunächst Jura, doch dieses Studium brach er ab, als sein Vater todkrank wurde. Er kehrte nach Hause zurück, um zu helfen und zu trösten. Nachdem Johann Sebastian Bach im Jahre 1750 für immer gegangen war, hätte J.Chr. Friedrich seine Studium wieder aufnehmen können. Statt dessen entschied er sich für ein Leben nach Noten statt nach Paragraphen. So ging er damals – er war just 18 Jahre jung – nach Bückeburg, arbeitete, liebte und lebte dort, war fleißig, zuverlässig und sicherlich auch seinem Sohn Wilhelm Friedrich Ernst ein guter Vater.

Dennoch, als J.Chr.Fr. Bach 46 Jahre alt war, gönnte er sich einen mehrwöchigen Urlaub bei einem seiner Brüder, dem Johann Christian. Zu jener Zeit lebte dieser in London. Also nahm Johann Christoph Friedrich seinen Sohn Wilhelm Friedrich Ernst und reiste mit ihm nach England. Dort tauschte er seinen Sproß dann gegen ein modernes Pianoforte ein. Er kehrte also ohne Sohn, jedoch mit einem Hammerklavier (das ist doch der Hammer! Oder?) nach Hause zurück. Was seine Frau zu diesem Tausch sagte, ist mir bedauerlicherweise nicht bekannt. Ob es auch mit einer Blockflöte funktioniert hätte? Ich weiß es nicht. Der Junior genoß indes bei seinem Onkel in England seine musikalische Ausbildung. Johann Christoph Friedrich Bach war ein guter, fleißiger, redlicher (obschon ich kaum glauben kann, daß er ein geschwätziger Mensch gewesen sein soll) und treuer Mann. Ich finde, das sieht man ihm auch an. Er verfügte über einen reinen Charakter, einen aufrichtigen Blick und über mindestens 3 Kinne!

Und bis auf das 3. Kinn kann ich all dies in seinen 3 Sinfonien wiederhören, die das "Leipziger Kammerorchester" unter der Leitung von Morten Schuldt-Jensen präsentiert. Diese 3 DUR-Sinfonien sind so rein, so erfrischend, heiter und wohltuend wie eben ein kühler Bach an einem heißen Sommertag. Fragen Sie sich noch immer, wer dieser Bach-Sprößling nun eigentlich war, und ob man ihn überhaupt kennen sollte? So kann ich nur mit lauter Stimme rufen: "Wachet auf!" Denn diese Kantate seines übermächtigen Vaters übernahm und bearbeitete Johann Christoph Friedrich und führte die Schlußzeile "des sind wir froh..." in einem eigenen freien Fugato weiter. Doch die tonale Grundebene, nein, die verließ er nie!

Also, wachet auf liebe Leser und ergreift die Gelegenheit, die Naxos hier bietet, Euch auf die Musik des Johann Christoph Friedrich Bach einzulassen! Wachet auf, und laßt Euch erfrischen von einem reinen, wohltuenden Bach!

Herzlichst,
Ihre Rosemarie Schmitt