Von der Linie zum Raum

Álvaro Siza, 1992 mit dem Pritzker-Preis ausgezeichnet, gilt als einer der wichtigsten portugiesischen Architekten des 20. Jahrhunderts. Seit den späten 1950er Jahren realisierte er zahllose Bauwerke, anfänglich vorwiegend in Portugal, später auch in ganz Europa, Amerika und Asien. Es gibt fast keine Bauaufgabe, der sich Siza nicht widmete; er entwarf Einfamilienhäuser und große Wohnanlagen, Universitäten, Schulen und Bibliotheken, Ausstellungspavillons und Museen, Sakralbauten, Verwaltungsgebäude und Einkaufszentren, Gewerbebauten und Infrastruktureinrichtungen, ganze Stadtviertel und nicht zuletzt auch Möbel.

Schon an seinen ersten Hauptwerken, dem Teehaus von Boa Nova (1958–61) und der in die Felslandschaft eingebetteten Schwimmbadanlage (1961–66) in Leca de Palmeira wird deutlich, was Siza’s Architektur auszeichnet. Ausgangspunkt seiner Entwürfe ist immer der konkrete Ort und dessen kultureller und architektonischer Kontext – sei es das urbane Umfeld, ein historisches Gebäude oder die Landschaft.

Die respektvolle Auseinandersetzung damit führt ihn zu jeweils unterschiedlichen und spezifischen Lösungen; architektonischen Statements, die in ihrer Direktheit immer aufs neue überraschen. Wesentliche Bezugspunkte in Sizas architektonischem Schaffen sind einerseits das Erbe der plastisch geprägten modernen Architektur eines Alvar Aalto, Adolf Loos oder Frank Lloyd Wright, andererseits die regionale Bautradition seiner Heimat Portugal und die verwendeten Materialien und Formen. Rationale Geometrie und organische Form vereint er zu einer skulpturalen Architektur, geprägt durch eine einfühlsame Linienführung, die subtile Behandlung des Raums und eine Lichtregie, die Bauwerke in Raumerlebnisse verwandeln.

"Sizas Bauwerke sind eine Freude für den Geist und die Sinne. Jede Linie und Kurve ist mit Können und Sicherheit gesetzt. Wie die Bauwerke der frühen Moderne haben seine, mit Licht modellierten Formen eine verführerische Einfachheit an sich. Sie sind ehrlich. Sie lösen Entwurfsprobleme direkt. Ist Schatten notwendig, dann platziert er eine überhängende Ebene. Ist Aussicht gewünscht, dann macht er ein Fenster. Stiegen, Rampen und Mauern – in einem Gebäude von Siza scheint alles einer zwingenden Logik unterworfen zu sein. Bei näherer Betrachtung offenbart sich die Einfachheit als sehr komplex. Es ist eine subtile Meisterschaft, die seinen Werken zu Grunde liegt und die sie so erscheinen lässt, als ob sie natürliche Gebilde wären." (Jury-Statement, Pritzker Preis)

Das wichtigste Werkzeug im Entwurfsprozess ist für Álvaro Siza die Skizze. Mit dem Zeichenstift entwirft er komplexe räumliche Situationen, skizziert Ideen und untersucht Formen. Neben den Skizzen dienen ihm Arbeitsmodelle zur Überprüfung und Weiterentwicklung der Projekte bis ins Detail. Dieser Arbeitsweise gilt das Hauptaugenmerk der Ausstellung "Von der Linie zum Raum". Anhand von 10 aktuellen Bauten und Projekten aus dem Kulturbereich – darunter das Museum der Iberê Camargo Stiftung in Brasilien, der Anyang Pavillon in Süd-Korea, die Kirche Santa Maria in Marco de Canavezes und der Portugiesische Pavillon der Expo 2000 in Hannover – veranschaulichen zahlreiche Skizzen und Arbeitsmodelle, großformatige Fotografien und Pläne, wie Álvaro Siza Projekte entwickelt. Filme zu und Möbel von Siza vervollständigen die von Rudolf Finsterwalder und Wilfried Wang für den Siza-Pavillon auf der Insel Hombroich konzipierte und für das aut adaptierte Ausstellung.

Begleitpublikation "Álvaro Siza: Von der Linie zum Raum." Begleitkatalog zur Ausstellung im Architekturmuseum der Museumsinsel Hombroich. Herausgeber: Rudolf Finsterwalder und Wilfried Wang. Broschur, 29 x 25,5 cm, 120 Seiten, 150 Abbildungen, Deutsch/Englisch, erschienen 2011 im Springer-Verlag, Wien. ISBN 978-3-7091-0853-6

Von der Linie zum Raum
29. Juni bis 22. September 2012