Vom Munot zum Rheinfall

Im Mittelpunkt der topografischen Ansichten von Schaffhausen steht in der Ausstellung, wie auch in der Wirklichkeit, die Feste Munot, das Wahrzeichen der Stadt am Rhein. Dass dabei die Südansichten mit dem Bollwerk vorrangig vertreten sind, hängt mit der Bevorzugung dieses Motivs durch die verschiedenen Künstler zusammen. Wiederholt dargestellt wurde auch die berühmte Grubenmann’sche Brücke, die von 1759 bis 1799 in einer kühnen Holzkonstruktion den Rhein zwischen Schaffhausen und Feuerthalen überspannte.

Eine Auswahl von grafischen Blättern dokumentieren anschaulich die Veränderungen und baulichen Entwicklungen der Stadt und ihrer Umgebung. Dies gilt vor allem für jene Zeit, die das wirklichkeitsgetreue Abbild der Fotografie noch nicht kannte. Das erklärt denn auch das rege Interesse, das diesen Ansichten sowohl von öffentlichen Institutionen wie auch von privaten Sammlern seit eh und je entgegengebracht wird. Erfreulich ist deshalb, dass die umfangreiche Graphische Sammlung des Museums zu Allerheiligen 2008 mit Mitteln der Sturzenegger-Stiftung aus dem Nachlass des 2007 verstorbenen Arztes und Sammlers Dr. Hanspeter Böhni 86 Blätter mit sehr schönen und teils seltenen Stadtansichten und Rheinfällen erwerben konnte. Letztere bilden den Schwerpunkt der Ausstellung und werden zudem in einem OEuvrekatalog, erschlossen. Sie ergänzen die weltweit umfangreichste Sammlung an Rheinfalldarstellungen (rund 550 Werke) vom 16. Jahrhundert bis zur Gegenwart aufs beste.

Wenn der Rhein aber in seinem Lauf Hindernissen begegnet, wirft er sich so ungestüm und heftig gegen die Felsen, dass er durch den Widerhall der sich brechenden Wassermassen schon von ferne Grauen verbreitet und beim Anblick fürchterlichen Schrecken erzeugt (Felix Fabri, Dominikanermönch, 1488/89). Die Reiseberichte der Renaissance bilden den Beginn einer nunmehr beinahe 500-jährigen wissenschaftlichen, literarischen und künstlerischen Auseinandersetzung mit dem Rheinfall. Anfänglich wurden vor allem die negativen Aspekte festgehalten: der Wasserfall als Hindernis für die Schifffahrt und das Schreckliche, Beängstigende, ja Absonderliche, das ihm innewohnt. Im 18. Jahrhundert überwog in den Bildern die Ambivalenz der Empfindungen, zwischen Grauen und geheimer Lust, vergleichbar mit dem Anblick der Alpen, schaurig und schön zugleich.

Besondere Intensität erreichte die Beschäftigung mit dem grössten Wasserfall Europas im 18. und 19. Jahrhundert. Mit ihm stand ein geradezu idealtypisches Beispiel zur Konkretisierung der Idee des Erhabenen zur Verfügung. Zeitgleich mit der Bewunderung des Kataraktes nahm auch der Schweizer Reisetourismus seinen Aufschwung. Damit steigerte sich die Nachfrage nach Veduten, die den Rheinfall in allen Schattierungen von erhaben über gewaltig, romantisch, fantastisch, realistisch bis banal festhielten. Seit der Mitte des 19. Jahrhunderts steht die Bewunderung des Naturschauspiels, das bis heute jährlich Tausende von Touristen anlockt, im Mittelpunkt der künstlerischen Annäherungen.

Vom Munot zum Rheinfall
Stadtansichten und Rheinfalldarstellungen
vom 16. bis 21. Jahrhundert aus den
Beständen der Graphischen Sammlung
16. November 2010 bis 21. August 2011