Vom Andersdenken und Andersscheitern

Das Priority Principle ist ein Begriff aus der Welt des Sportes, speziell dem Bodybuilding, und beschreibt den Umgang mit Schwachstellen des eigenen Körpers im Training. Gemäß diesem Prinzip liegt der Fokus der Übungen vorrangig auf der gezielten Stärkung der noch schwachen, unausgebildeten Strukturen, denen besonderes Augenmerk geschenkt wird. Letztlich soll durch kontinuierliches Training ein gut funktionierender und ausgewogener Körperapparat entstehen, der den eigenen ästhetischen Vorstellungen und Wünschen entspricht.

Aspekte des Priority Principle als evolutionäres Prinzip der Weiterentwicklung und des Fortschrittes gelten auch für Künstler in ihrem kreativen Schaffen. In den in der Galerie.Z versammelten Zeichnungen von Ines Hochgerner, Moussa Kone und Paula Mueller finden sich zahlreiche Hinweise auf Techniken der Wiederholung, die den physischen Trainingsprinzipien nicht unähnlich sind. Dichte Schraffuren von Linien, geradezu zwanghaft ausgeführt, lassen rhythmisch repetitive Motive erkennen. Bildhafte Zitate werden in Kreisläufen in neue Zusammenhänge gestellt und werden zu reproduzierten Mustern.

Die Nähe zum Körper liegt bei Moussa Kone klar in den Strukturen seiner Zeichnungen, die die Tätigkeit der Hand beim Zeichnen gleichsam mitausstellen. Ines Hochgerner verschraubt und verspannt ihre Papierarbeiten, betitelt "Bodybuilder", so an der Wand, dass das traditionell flache Medium Zeichnung dreidimensionale Qualitäten bekommt und so nach der Körperlichkeit des Zweidimensionalen fragt. In den neuen Arbeiten von Paula Müller wiederum ist es die Hand selbst, die auch tatsächlich abgebildet ist und deren Linien den Rahmen für verschiedene poetische Inhalte bilden.

Die Ausstellung legt allerdings den Umkehrschluss nahe, dass Schwächen keineswegs ausgemerzt werden sollen, sondern soweit intensiviert und kultiviert werden, dass sie zu Stärken in der künstlerischen Arbeit werden. "Kunst und Leben sind ja eng miteinander verknüpft, Biografien finden sich oft als Spiegel in den Arbeiten wider" (Moussa Kone). So zeichnet sich der starke eigene Charakter der Kunstwerke oft dadurch aus, dass sie "ein Andersscheitern" beinhalten, denn ob des intensiven Trainings bei der Arbeit an einer Narration "kann der imaginative Zeichenmuskel auch ganz schlaff werden" (Paula Müller).

Das Priority Principle steht auch für den Antrieb zur künstlerischen Arbeit, die Herausforderung etwas zu erschaffen und neue Inhalte zu generieren. Eigene Anlagen der Persönlichkeit werden zum identitätsstiftenden Moment in der künstlerischen Produktion. "Oberflächliche Zuordnungen werden dabei untersucht und das vermeintlich flache Medium der Zeichnung faltet sich in viele Ebenen auf" (Ines Hochgerner).


The Priority Principle
Vom Andersdenken und Andersscheitern
21. November bis 27. Dezember 2014