Voll Mond? Voll gut!

3. November 2010 Rosemarie Schmitt
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Twilight-Storys, Biss-zum-Abwinken-Geschichten, dunkle Fantasien und verliebte Vampire zanken sich seit Monaten um die vordersten Plätze der Bestsellerlisten des deutschen Buchhandels. Millionen Leser (natürlich auch alle Leserinnen! Ich weigere mich, dieses alberne /innen-Spiel mitzuspielen) sitzen zuhause und lesen still vor sich hin. Still, weil es an einem wirklich stimmigen und passenden musikalischen Rahmen fehlt. Fehlte, liebe Vollmondklassikfans, fehlte! Denn mit der Serie "Full Moon Classics" trifft das Label "Berlin Classics" (Vertrieb: Edel) voll ins Schwarze!

Der Mond verzaubert uns seit Jahrtausenden auf eine unbeschreibliche Weise. Besonders wenn er voll ist. Seine Betrachter hingegen sollten besser nüchtern bleiben, sonst könnte es ihnen übel ergehen. Kennen Sie den chinesischen Dichter Li Tai-bo? Er lebte von 701 bis 762 und seine Lyrik ist bei uns immerhin so bekannt, daß es bei Reclam ein kleines, gelbes Büchlein mit Gedichten von ihm gibt. Das ist sehr passend, denn Li Tai-bo liebte den Mond, (so gelb wie das Heftchen) und viele seiner Gedichte handeln von ihm. Etwa dieses hier:

Zechen unter dem Mond
Sitz zwischen den Blüten
mit einer Kanne Wein
schenk alleine mir ein
ohne einen Freund.
Ich hebe den Becher
lad den hellen Mond mir ein.
Gegenüber mein Schatten
Zu dritt sind wir vereint.

Das Gedicht hat noch ein paar Zeilen mehr, aber es würde zu weit führen, diese hier niederzuschreiben, denn was ich Ihnen eigentlich erzählen wollte war, wie der Dichter Li Tai-bo zu Tode kam, denn wie sollte es anders sein, hat dies mit seiner Liebe zum Mond zu tun. "Der Mond jedoch, versteht sich nicht aufs Trinken", schrieb Li Tai-bo weiter im obigen Gedicht, und er selbst offensichtlich auch nicht. Eines Nachts fuhr Tai-bo mit einem Boot hinaus auf den See, der Mond war voll und der Dichter nicht minder. Als Li Tai-bo seinen geliebten, sich im Wasser spiegelnden Mond umarmen wollte, fiel er aus dem Boot und ertrank.

Zu dieser Geschichte, zu Li Tai-bos Gedichten oder all den Vampir-Romanen der aktuellen Bestsellerlisten passen diese gruseligen Stimmen in der Dunkelheit (voices in the dark), die Schauer erregenden und grotesken Tänze (danse macabre), und diese zum Sterben schöne unsterbliche Romantik (immortal romance). Voll im Trend, Klassik mit Biß oder etwa doch nur vom Affen gebissen? Theoretisch können Sie mehr als 7 Stunden (quasi Biss zum Abwinken) an einem Stück ihren Lesehunger stillen; und dies ganz sicher nicht mehr im Stillen! Ich leihe mir hier ausnahmsweise ein Stück Text bei dem Promotion-Manager von Edel, denn treffender kann ich es auch nicht beschreiben: "(...) drei Doppel-CD’s, die einen virtuellen Soundtrack als Stimulanz für die dunkle Seite der eigenen Phantasie bereitstellen. (...)"

Es ist eine außergewöhnliche und sehr stimmungsvolle Auswahl klassischer, sehr faszinierender Musik. Ich weiß, daß besonders Jugendliche und junge Erwachsene die Romane im Stile der Twilight-Stories besonders gerne lesen, und ich bin davon überzeugt, daß sie diese Musik lieben werden, auch wenn sie bisher glaubten, Klassik sei nichts für sie. Wetten daß doch? Und daß die Vampir-Roman-Liebhaber die CD-Serie auch gleich erkennen, dafür sorgen die exklusiven Cover-Illustrationen.

"Full Moon Classics", eine einzigartige Klassik-Sammlung, der niemand widerstehen kann, der einen Sinn fürs Sinistre hat.

Gruseligst
Ihre Rosemarie Schmitt