Vive la Peinture!

Es ist eine zentrale Aufgabe eines Museums wie der Villa Flora, in gewissen zeitlichen Abständen die Sammlung möglichst in ihrer Ganzheit zu präsentieren. Nach den Übersichtsausstellungen von 1995 und 2005 sind in den Räumen der Villa Flora auch in den nächsten vier Monaten Hauptwerke von Bonnard, Cézanne, Van Gogh, Hodler, Matisse, Manguin, Marquet, Rouault, Toulouse-Lautrec, Vuillard und Vallotton zu sehen. In anderer Zusammenstellung, die wiederum spannende kunsthistorische Bezüge erlaubt, kommen sie überraschend neu zur Sprache.

"Vive la Peinture!" - nur diese Worte sind auf einer Karte von Matisse an seinen Freund Bonnard zu lesen. Ein Jubelruf, ein Bekenntnis, eine Beschwörungsformel? Wohl alles zusammen. Denn die Malerei bedeutete diesen beiden Künstlern eine Welt. Vive la Peinture! diesen Ausruf möchte man der ganzen Sammlung Hahnloser überschreiben. Die Vorliebe des Winterthurer Sammlerpaares Hedy und Arthur Hahnloser-Bühler galt der Malerei. In den von den Architekten Rittmeyer/Furrer speziell für das Haus entworfenen Räumen der Villa Flora reihen sich Bilder von Bonnard, Cézanne, Van Gogh, Hodler, Matisse, Manguin, Marquet, Rouault, Toulouse-Lautrec, Vuillard und Vallotton wie Perlen an einer Schnur. Die Atmosphäre des Ortes, der mit dem Garten zusammen ein einmaliges, über hundert Jahre lebendig bewahrtes Gesamtkunstwerk bildet, gewährt den Bildern einen besonderen Entfaltungsraum. Das Schwergewicht der Sammlung liegt bei den Arbeiten von Bonnard, Vallotton und Vuillard, die der Künstlergruppe der Nabis angehörten.

Werkgruppen dieser drei bilden auch das Herzstück der Ausstellung. Landschaften, Interieurs und Figurenbilder belegen die Vielseitigkeit ihrer Ausdrucksweise. Das grossformatige Gemälde "Les faunes" zeigt Bonnards Vorliebe für mythologische Themen von bukolischer Gestimmtheit. In den Aktbildern betrachtet er seine Figuren – allen voran die Lebensgefährtin Marthe – mit dem Blick eines Verliebten. Weniger schonungsvoll geht Vallotton mit seinen Modellen um. Oft setzt er sie dem Blick des Betrachters zur Schau und untermalt ihre Erscheinung mit einem ironischen Unterton, in dem sein gespanntes Verhältnis zur Frau anklingt. Auch Matisse ist mit kleinformatigen Meisterwerken in der Sammlung vertreten. Im Bild ‚Cahier noir’ ist viel von seiner reichen Bildwelt eingefangen: Die Balkontür des Hotelzimmers öffnet sich auf den von Pinien gesäumten Meeresstrand. Mit wenigen Angaben skizziert er ein durchlichtetes, weites Zimmer, in dem ein schwarzes Heft den Blick auf sich zieht.

Bevor sich Hahnlosers an Frankreichs Kunstszene orientierten, konzentrierten sie ihre Sammeltätigkeit auf die Schweiz. Früh wurden sie auf Hodler aufmerksam. Eine einmalige Werkgruppe mit Landschafts- und Figurenbildern belegt das damals mutige Bekenntnis der Sammler. Von Hodler aus ergeben sich spannende Bezüge zu Cézanne, der ebenfalls nach einer Gesetzmässigkeit der Bildkomposition sucht. Werke wie "Les toits" und "Plaine provençale" verdeutlichen aber auch, wie viel Cézanne der Auseinandersetzung mit dem Impressionismus, allen voran Renoir, verdankt. Das Licht wird bei ihm jedoch nicht eingesetzt, um das Erscheinungshafte der Wirklichkeit einzufangen. Zusammen mit der Farbe wird es als konstruktives, formbildendes Element aufgefasst.

Renoirs offene Räume einer südlichen Landschaft, in die Pflanze und Mensch wie Lichtgarben verwoben sind, gelangten in die Sammlung Hahnloser, um das Umfeld der Nabiskünstler zu veranschaulichen. Hier durfte denn auch Van Gogh nicht fehlen, der mit einem Hauptwerk wie der "Sämann" für einen Höhepunkt sorgt. Gleichzeitig erkannten Hedy und Arthur Hahnloser die gesteigerte Ausdruckskraft des jungen Van Gogh, die bereits in den frühen, dunkeltonigen Werken wie "L’allée de Nuenen" und "Place de voitures" manifest wird. Die existentielle Verunsicherung des Einzelnen in einer sich wandelnden Gesellschaft ergreift ähnlich stark in Werken von Rouault und Toulouse-Lautrec.

So wie Hedy Hahnloser forderte: "Il faut vivre son temps" wird in der Flora-Ausstellung die Gegenwart mit Bildern des international bekannten, in Winterthur lebenden Künstlers Mario Sala befragt. In Werken wie "Rosa Salon" oder "Orchid" verarbeitet er Eindrücke des technischen und elektronischen Zeitalters und verdichtet sie zu Stimmungsräumen.
Angelika Affentranger-Kirchrath

Vive la Peinture!
Von Bonnard bis Vallotton - Meisterwerke in der Villa Flora
30. Oktober 2009 bis 5. April 2010