Virginia Overton: Skulpturen aus ausgedienten Materialien

Das Kunstmuseum Winterthur zeigt ab dem 5. September Arbeiten von Virginia Overton. Die Künstlerin kreiert poetische Werke aus ausgedienten Materialien. Sie verbindet kunsthistorisches Bewusstsein und ein feines Gespür für Materialästhetik mit einem nachhaltigen Umgang mit Ressourcen. Für die Ausstellung arbeitet sie mit Ausschussmaterial der Kunstgiesserei St. Gallen und bezieht die Räume in Winterthur mit ein.

Virginia Overton (* 1971 in Nashville) fertigt Skulpturen aus ausgedienten Materialien an. Sie verwendet beispielsweise freigelegte Stahlträger und Holzbalken aus Gebäuden oder zerlegt ausgediente Fahrzeuge und Reklameschriftzüge. Aus den Einzelteilen montiert, schraubt und schweißt sie großformatige Strukturen, baut architektonische Eingriffe oder kreiert Wandobjekte. So wird beispielsweise ein Kranwagen zur Brunnenskulptur mit spielerischem Wasserkreislauf. Damit zitiert die Künstlerin das Readymade-Prinzip, lenkt den Blick jedoch auf die Gebrauchsspuren, Geschichte und die ursprüngliche Funktion der verwendeten Elemente. „Ein Stück Holz bleibt ein Stück Holz – auch im Kunstkontext”, sagt Overton. Durch diese Materialtreue sind ihre Werke fest in der Realität verankert und nah an sozialer und funktionaler Lesbarkeit.

Beeinflusst von der Post-Studio-Kunst, wie sie durch die Minimal Art geprägt wurde, arbeitet sie bevorzugt vor Ort und hat dabei stets die spezifischen Ausstellungsräume im Blick. Dabei verbindet sie kunsthistorisches Bewusstsein und ein feines Gespür für Materialästhetik mit einem reflektierten Umgang mit ökologischen, sozialen und ökonomischen Fragestellungen der Gegenwart. Ihr ist ein nachhaltiger Umgang mit Ressourcen wichtig: Viele ihrer Skulpturen sind reversibel, das Material wird nach der Ausstellung wieder in den industriellen Kreislauf zurückgeführt und nicht um die halbe Welt transportiert. Das wirft nicht nur Fragen nach dem Wert von Kunst, sondern auch nach ihrer Verantwortung gegenüber der Umwelt auf. Overtons „Do-it-yourself”-Strategie basiert auf einer pragmatischen Arbeitsweise. Sie fügt der Welt kein neues Material hinzu, sondern neue Konstellationen und Verbindungen aus organischen, synthetischen und mechanischen Komponenten, die in ihrer Gegensätzlichkeit unsere Sinne schärfen. Es gelingt ihr, eine Ästhetik der Sachlichkeit zu formulieren, die die poetischen Aspekte von Proportionen, Schwerkraft und Gleichgewicht einfängt. Ihre Werke eröffnen Bedeutungsräume zwischen Konstruktion und Dekonstruktion, zwischen (Bau-)Arbeit und Kunst sowie zwischen Funktion und Symbol.

Virginia Overton
Material Girl
5. September bis 9. November 2025