Vincent, François, Paul und die anderen

26. April 2018 Walter Gasperi
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Am Beispiel einer Gruppe von Freunden im mittleren Alter erzählt Claude Sautet leichthändig von Krisen und deren Überwindung. Das 1974 entstandene Drama ist bei StudioCanal auf DVD erschienen.

Regelmäßig treffen sich der Unternehmer Vincent (Yves Montand), der Arzt François (Michel Piccoli), der Schriftsteller Paul (Serge Reggiani) und ihre Frauen oder Freundinnen am Wochenende in Pauls Landhaus oder zum Essen in einem Restaurant der Stadt. Seit Jahrzehnten scheinen sie sich zu kennen und Freunde zu sein, doch jeder hat mit seinen Problemen zu kämpfen.

Vincent lebt zwar schon seit zwei Jahren von Catherine getrennt, doch dass sie sich jetzt scheiden lassen will, stört ihn doch. Gleichzeitig soll er auch noch eine beträchtliche Summe auftreiben und einen Wechsel zurückzuzahlen. Bei jeder Feier wird er zwar freundlich begrüßt, doch rar werden die Freunde, wenn es um Geld geht.

François dagegen ist so kalt und verbittert, dass seine Frau Lucy schon lange ihr Glück bei anderen Männern sucht, zu einer Trennung hat sie sich aber noch nicht durchgerungen. Paul wiederum schafft es nicht seinen Roman fertigzustellen. Und dann gibt es noch den jungen Jean (Gerard Depardieu), der in Vincents Fabrik arbeitet, aber auch für einen Boxkampf gegen einen scheinbar übermächtigen Gegner trainiert.

Ganz alltäglich ist die Handlung, aus dem Leben gegriffen die Protagonisten und Sautet dramatisiert auch nicht. Leichthändig wechselt er vielmehr zwischen den Figuren, blickt mal auf den einen, mal auf den anderen. Völlig überraschend meldet sich dabei gegen Ende nach einem Zusammenbruch Vincents auch kurz ein allwissender Off-Erzähler zu Wort, der den Krankenhausaufenthalt und einen Urlaub am Meer, bei dem die Freunde den Rekonvaleszenten besuchen, zusammenfasst.

Feinfühlig schildert Sautet den Wandel der Charaktere. So wird der kalte François zunehmend nachdenklicher, weil ihm langsam bewusst wird, was er mit seiner Frau verliert, während der zunächst egozentrische Vincent lernt auf Gefühlsregungen seiner Freunde zu achten und sich für sie ernsthaft zu interessieren. Und gleichzeitig geht das Leben in den gewohnten Bahnen weiter, wenn der Film, so wie er begonnen hat, mit einem Treffen der Freunde endet.

Meisterhaft versteht es Sautet menschliche Schwächen aufzudecken, verurteilt seine Figuren aber nie, sondern blickt mitfühlend auf sie. Dass man am Schicksal dieser Freunde Anteil nimmt, ist aber auch der eleganten und flüssigen Erzählweise sowie natürlich den großartigen Darstellern zu verdanken. Keine Schwachstelle gibt es in diesem Ensemble, bei dem an der Seite von Yves Montand und Michel Piccoli auch der junge Gérard Depardieu zu sehen ist.

Über die individuellen Schicksale hinaus zeichnet "Vincent, François, Paul und die anderen" aber auch ein treffliches Stimmungsbild des französischen Bürgertums der frühen 1970er Jahre. Nichts mehr zu spüren ist vom Mai 1968, Politik ist kein Thema mehr, ganz um private und berufliche Probleme drehen sich die Gespräche und Gedanken dieser Freunde.

An Sprachversionen bietet der bei StudioCanal auf DVD erschienene Film die französische Originalfassung, zu der deutsche Untertitel zugeschaltet werden können, sowie die deutsche Synchronfassung. Die Extras beschränken sich auf Trailer zu weiteren Filmen dieses Labels.

Trailer zu "Vincent, François, Paul und die anderen"