Viennale 2016: Geistergeschichten

Medien, die Kontakte zu Geistern knüpfen können, stehen im Zentrum von Olivier Assayas´ "Personal Shopper" und Rebecca Zlotowskis "Planétarium". Damien Manivel entwickelt dagegen in "Le parc" aus einem ganz alltäglichen Anfang eine zunehmend geisterhafte Geschichte, während Nikolaus Geyrhalter in "Homo Sapiens" in grandiosen Totalen das Bild einer menschenleeren, gespentischen Welt beschwört. Philipp Hartmann spürt dagegen in seinem Essayfilm "66 Kinos" Orten nach, in denen heute in Deutschland solche Filme gezeigt werden.

Die Kinotour seines Essayfilms "Die Zeit vergeht wie ein brüllender Löwe" durch Deutschland nahm Philipp Hartmann zum Anlass für einen weiteren Film: Mit der Kamera begleitete er von Herbst 2014 bis Frühjahr 2015 die Tour und porträtierte die 66 deutschen Kinos, in denen sein Film gezeigt wurde, sowie deren Betreiber.

Ein wunderbar vielschichtiges Bild der deutschen Kinolandschaft vom kleinen Saal im 500 Jahre alten Kloster in Alpirsbach/Schwarzwald bis zur prunkvollen Schauburg in Karlsruhe und vom Münchner Werkstattkino bis zum Multiplex, in dem Säle auch für Vorlesungen der Universität vermietet werden, ist so entstanden. So vielfältig die Architektur der Kinobauten ist, so unterschiedlich sind auch die Betreiber, doch gemeinsam ist ihnen die Leidenschaft fürs Kino.

Sie sprechen über die Geschichte ihres Kinos ebenso wie über die gerade durchgeführte Digitalisierung und die unsichere Zukunft. Von Empathie getragen ist der Blick Hartmanns. Er lässt die Kinomacher über ihre Probleme sprechen und die mangelnde Förderung des Kinos als Museumsort klagen, macht aber trotz aller Unkenrufe auch Hoffnung, wenn er das neu entstehende Berliner Kinoprojekt Wolf oder neue Möglichkeiten der Filmpräsentation im Rahmen von Installationen vorstellt.

In eine andere Umbruchszeit des Kinos entführt dagegen Rebecca Zlotowski, die in „Planétarium“ die beiden amerikanischen Schwestern Laura und Kate Barlow in den 1930er Jahren als Medien durch die französischen Varietés tingeln und bald in dem Filmproduzenten André Korben einen Förderer finden lässt. Korben glaubt ihre Geisterbeschwörungen, die er auch mit wissenschaftlichen Methoden untersuchen lässt, für den Film nutzen zu können, verspekuliert sich dabei aber und bekommt zudem die zunehmende antisemitische Stimmung zu spüren.

Zlotowski beweist ein Gespür für große Kinobilder, entwickelt einen Rausch der Farben und der Ausstattung und auch Natalie Portman, Johnny Depps Tochter Rose-Marie und Emmanuel Salinger überzeugen in den Hauptrollen. Doch leider kann sich die Französin nie entscheiden, in welche Richtung sie ihren Film entwickeln will, deutet vieles an, treibt aber nichts entschieden weiter. Ein großes Melodram über eine Dreiecksbeziehung könnte sich aus dem Stoff ebenso ergeben wie ein stimmungsvolles Bild der 1930er Jahre oder eine Auseinandersetzung über Spiritismus, Film, dem mit den bewegten Bildern immer auch etwas Geisterhaftes innewohnt, und Wissenschaft. "Planetarium" aber bleibt auf allen Ebenen in Ansätzen stecken und bis zum Ende wird nicht klar, was wirklich das Thema der Regisseurin ist und was sie an dem Stoff letztlich interessiert hat.

In Morphings sichtbar werden Geister in Olivier Assayas´ "Personal Shopper". Ein Zeichen aus dem Jenseits erwartet sich nämlich die Amerikanerin Maureen (Kristen Stewart) von ihrem vor kurzem verstorbenen Zwillingsbruder Lewis und stößt bald auch darauf in dem verlassenen Landhaus, in dem der Bruder zuletzt lebte.

Gleichzeitig wird die junge Frau, die für einen französischen Stars (Nora von Waldstätten) teure Kleider, Schuhe und Schmuck einkaufen muss und dabei zwischen Paris und London pendelt, aber auch per SMS scheinbar zunehmend von einem weiteren Geist heimgesucht, der genau über ihr Leben und ihre Wege Bescheid weiß. Aus der Geistergeschichte wird sich so schließlich zwar eine Krimihandlung entwickeln, dennoch wird sich auch am Ende noch Geisterhaftes in diesem Film finden.

In jeder Szene spürt man bei diesem ganz auf die Hauptdarstellerin Kristen Stewart zugeschnittenen Film, was für ein Könner Assayas ist, wie elegant er inszenieren und Spannung aufbauen kann. Spielerisch leicht bringt er über selbst gedrehte Youtube-Videos über die schwedische Malerin Hilma af Klimt und spiritische Sitzungen Victor Hugos die weit zurückreichende Beschäftigung mit Geistern ins Spiel. Geisterhafte Züge verleiht der Franzose aber auch dem fanzösischen Star, der nur einmal kurz sichtbar ist, oder Maureens Freund, mit dem sie nur per Skype kommuniziert.

Genießen kann man so diesen Film durchaus, doch hängen bleibt kaum etwas, denn dürftig bleibt insgesamt die Geschichte. Den Grund dafür kann man freilich auch darin sehen, dass dieses Projekt für Assayas eine Verlegenheitslösung war, als ein Film, dessen Drehstart in Kanada schon fixiert war, kurzfristig gestoppt wurde.

Viel einfacher angelegt ist Damien Manivels "Le parc", der an einem Nachmittag und einer Nacht in einem Park einer nicht näher bestimmten französischen Stadt spielt. Ganz alltäglich beginnt es mit dem ersten Date eines Jungen und eines Mädchens auf einer Parkbank. Auf Smalltalk folgen Gespräche über die Eltern und Hobbys, bald spaziert man durch den Park, tollt ein bisschen herum, bis der Junge sich verabschiedet.

Während das Mädchen im Park zurückbleibt, sich nach dem Jungen sehnt und ihm SMS schickt, geht der Nachmittag langsam in den Abend und in die Nacht über. Auch dieser Film nimmt gespensterhafte Züge an, wenn ein schwarzer Parkwächter auftaucht und das Mädchen zum Verlassen des Parks bewegen will, doch kann dies alles auch nur ein Traum sein.

So einfach, banal und alltäglich dieser Film ist, so beglückend ist er gerade in dieser Einfachheit, in der Natürlichkeit der Schauspieler, im Verzicht auf alles Dramatische. Keine Musik benötigt Manivel, sondern vertraut auf präzis eingesetzte Naturgeräusche, spärlich sind auch die Dialoge, mehr Raum nimmt das Schweigen ein. Wer vom Kino großes Spektakel erwartet, wird bitter enttäuscht den Saal verlassen, wer sich aber öffnet für diesen Mix aus banaler, aber unverbrauchter und gänzlich unspektakulärem Beginn einer Liebesgeschichte und rätselhaft-magischen Momenten kann hier eine Entdeckung machen.

Im Gegensatz zu dieser kleinen Geschichte ist Nikolaus Geyrhalters "Homo Sapiens" ein monumentaler Film. Menschen bekommt man hier nicht zu sehen, doch jede der genau kadrierten, vielfach symmetrischen statischen Totalen kündet von der einzigen Präsenz dieser Spezies. Ohne Musik, ohne Dialog und ohne Kommentar reiht Geyrhalter nämlich Bilder von Zivilisationsruinen aneinander, denen nur Naturgeräusche wie das Tropfen von Wasser, das Rauschen des Winds oder das Zwitschern von Vögeln unterlegt sind.

Über das ganze menschliche Leben spannt der Österreicher dabei den Bogen von verlassenen Sportarenen, Wintersportanlagen und verfallenden Theater und Kinos über zerbröckelnde Einkaufszentren, Schulen und Bürogebäude sowie verlassene Bahnhöfen, Flughäfen und Städte bis zu Friedhöfen.

Ein monumentaler meditativer Bilderbogen ist dieser Film, der einerseits in den Bauten die menschliche Schöpferkraft vor Augen führt, andererseits auch deren Vergänglichkeit und der in jeder Einstellung die Frage aufwirft, was bleibt, wenn die Menschen nicht mehr da sind.