Viennale 2016: Frischer Umgang mit alten Genres

Dass ein Film über Ludwig XIV. keineswegs verstaubt sein muss, beweist Albert Serra mit "La mort de Louis XIV.", eine frische Adaption eines Frühwerks von Jane Austen legt Whit Stillman mit "Love and Friendship" vor und eine filmische Perle gelang dem Finnen Juho Kuosmanen mit dem Boxerfilm "The Happiest Day in the Life of Olli Mäki", weil er alle Konventionen des Genres unterläuft.

Historienfilme bieten meist große Bauten, prunkvolle Feste und Massenszenen. Albert Serra beschränkt sich in "La mort de Louis XIV." dagegen weitgehend auf das Schlafzimmer des "Sonnenkönigs". Wird der absolutistische Herrscher in der ersten Szene von seinen Dienern noch im Rollstuhl durch einen Park geschoben, wohnt er in der zweiten wenigstens noch sitzend einem Fest bei, so liegt der von dem Nouvelle-Vague-Star Jean-Pierre Leaud gespielte Monarch in den folgenden gut 100 Minuten nur noch im Bett.

Nicht viel passiert und in langen ruhigen, wunderbar von Kerzenlicht ausgeleuchteten Einstellungen zeichnet Albert Serra die letzten Wochen im Leben Ludwig XIV. nach. Klaustrophobische Enge entwickelt der Film durch die Beschränkung auf den einen Raum. Gleichzeitig weitet sich der Film dabei aber einerseits durch die Fokussierung auf dem Sterben des Königs zur allgemeinen Reflexion über Tod und Vergänglichkeit, spielt aber auch klug mit dem Widerspruch, dass selbst der mächtigste Mann der damaligen Welt dem Tod nicht weniger machtlos ausgeliefert ist als jeder andere Mensch.

Einen frischen Zugang zu Jane Austen hat auch Whit Stillman mit "Love and Friendship" gefunden. Ganz auf den Dialog setzt der Amerikaner in seiner Adaption des 1794 verfassten, aber erst 1871 veröffentlichten Briefromans. Witz versprüht hier schon die Vorstellung der Protagonisten mit Inserts nicht nur der Namen, sondern auch kurzer, teils bissiger Charakterisierungen. Auch später wird die Briefform evident gemacht, wenn Briefe nicht nur vorgelesen, sondern der Text auch direkt ins Bild eingeblendet wird.

Im Mittelpunkt steht die verwitwete Lady Susan, die für sich und ihre Tochter einen vermögenden Gatten sucht und dabei vor Intrigen und Manipulationen nicht zurückschreckt. Mit sichtlichem Vergnügen agiert ein von Kate Beckinsale angeführtes Ensemble, spritzig und geschliffen sind die Dialoge, die freilich nur im Original wirklich genossen werden können.

Doch gerade diese Dialoge stellen auch ein gewisses Problem dar, kommen sie doch so schnell und so dicht, dass der Zuschauer entweder sehr gut Englisch verstehen oder aber sehr schnell die Untertitel lesen muss. Gewisse Anstrengung bereitet "Love and Friendship" so, denn über knapp 100 Minuten wird höchste Aufmerksamkeit verlangt und leicht verpasst man Details, durch die dieser Film seinen Witz und Biss entwickelt.

Gelassener ist die Erzählweise des finnischen Boxerfilms "The Happiest Day in the Life of Olli Mäki". In Schwarzweiß und auf grobkörnigem 16mm hat Juho Kuosmanen sein auf einer wahren Geschichte beruhendes Debüt gedreht. Allein schon durch diese raue, statt Hochglanz immer wieder Poesie ausstrahlende Form gewinnt dieser gegen den Strich gebügelte Boxerfilm Charme. Dazu kommen aber noch der wunderbar lakonisch agierende Jarkko Lahti in der Hauptrolle und eine trockene, aber von Empathie für den Protagonisten getragene Erzählweise.

Zum finnischen Nationalhelden soll der Boxer Olli Mäki durch einen Sieg im Kampf um die Weltmeisterschaft im Federgewicht gegen den afroamerikanischen Weltmeister Davey Moore werden. Der 17. August 1962 soll zum glücklichsten Tag in seinem Leben werden, doch bei einer Hochzeit verliebt sich Olli in Raija und die Vorbereitungen für den großen Kampf interessieren ihn kaum noch. Lustlos nimmt Olli an den Pressekonferenzen und Treffen mit Sponsoren teil, zu denen ihn sein Manager schleppt. Wenig Interesse zeigt er nicht nur daran, die nötigen Kilos abzunehmen, sondern auch beim Training ist nicht wirklich bei der Sache. Lieber haut er schon mal ab, um Raija zu besuchen.

Hinreißend bedient sich Kuosmanen der Regeln des Boxerfilms, um ihnen dann aber eine Absage zu erteilen. Wird dort meist der große Einsatz, der schließlich zum Triumph führt, gefeiert, so lässt Kuosmanen seinen Protagonisten das Glück abseits des Sports und des Heldentums finden. Wie recht er damit hat, zeigt die wunderbare Schlussszene, in der der Film den Bogen zur Realität schlägt: Das alte Paar, dem die beiden jungen Protagonisten bei einem Spaziergang an einem Fluss hier begegnen und das sie zu einem Gespräch anregt, ob sie auch gemeinsam alt und glücklich werden werden, ist der reale Olli Mäki und seine Frau Raija. – Schöner kann man einen Film nicht enden lassen.