Viennale 2015: "Best of" und interessante Specials

Zwei Wochen lang Kino pur bietet die Viennale mit rund 170 Filmen auch heuer wieder vom 22.10. bis 5.11.. Verteilt auf fünf Kinos der Innenstadt und das Filmmuseum werden wie gewohnt einerseits zahlreiche Festivalhits des Jahres dem Wiener Publikum schon vor Kinostart präsentiert, andererseits aber auch in Special Programs und Tributes Einblick in das Schaffen noch wenig bekannter Regisseure sowie in die Geschichte des österreichischen Genrekinos geboten. – Der Kartenvorverkauf beginnt am Samstag, den 17.10.

Große Premieren sind bei der Viennale Mangelware, dafür pickt Festivalleiter Hans Hurch heraus, was ihn im Laufe des Jahres auf den Festivals der Welt am meisten beeindruckt hat. Eröffnet wird heuer mit Todd Haynes´ in Cannes gefeierter Patricia Highsmith-Verfilmung "Carol" und auch der Abschluss dürfte mit Charlie Kaufmans und Duke Johnsons Animationsfilm "Anomalisa", der wiederum in Venedig begeistert aufgenommen wurde, kaum filmische Wünsche offen lassen.

Gut durchmischt stehen während des zweiwöchigen Festivals Spielfilme und Dokumentarfilme, leichter konsumbierbare Arthausfilme und ästhetische avancierte Produktionen auf dem Programm. Große Namen wie Nanni Moretti, Hirokazu Koreda oder Woody Allen, deren neue Filme "Mia madre" beziehungsweise "Umimachi diary – Our Little Sister" und "Irrational Man" gezeigt werden, stehen hier neben noch zu entdeckenden Regisseuren wie dem Israeli Avishai Sivan mit seinem starken Drama "Tikkun" oder der Kolumbianer Ciro Guerra mit dem in Cannes preisgekrönten "El abrazo de la serpiente".

Für die Hauptabendvorstellung im über 700 Zuschauer fassenden Gartenbaukino wurde verständlicherweise wiederum jeweils ein Film ausgesucht, der schon für Aufsehen sorgte. Die Bandbreite spannt sich hier von Amos Gitais "Rabin, the Last Day", in dem das Attentat auf Yitzak Rabin am 4. November 1995 nachgezeichnet wird, über Alexander Sokurovs Film über den Louvre während der nationalsozialistischen Okkupation ("Francofonia") bis zu Alfonso Gomez-Rejons frischer Coming-of-Age Tragikomödie "Me and Earl and the Dying Girl" oder J. C. Chandors packendem "A Most Violent Year", der leider nie in die österreichischen Kinos kam.

Viel Raum wird wie gewohnt dem unabhängigen US-Kinos eingeräumt. Rick Alversons "Entertainment" ist hier ebenso vertreten wie unter anderem Alex Ross Perrys "Queen of Earth", mit "Tangerine" der mit einem iPhone gedrehte neue Film von "Starlet"-Regisseur Sean Baker und mit "Results" Andrew Bujalskis Nachfolger zu "Computer Chess".

Auch Asien ist mit großen Namen vertreten. Der Thai Apichatpong Weerasthakul zeigt seinen neuen Film "Cemetry of Splendor" ebenso wie der Taiwanese Hou Hsiao Hsien seinen in Cannes preisgekrönten "Nie yin niang – The Assassin", der Chinese Jia Zhangke "Shan he gu ren – Mountains May Depart", der Südkorenaner Hong Sangoo den Locarno-Sieger "Jigeumeun matgo geuttaeneun teullida – Right Now, Wrong Then" und der Japaner Hamaguchi Ryusuke das über fünfstündige Frauendrama "Happy Hour".

Ausgesprochen vielfältig ist auch das Angebot an Dokumentarfilmen. Die Bandbreite reicht hier von "The Look of Silence", in dem Joshua Oppenheimer nach den Täterporträts in "The Act of Killing" nun aus Opferperspektive den indonesischen Völkermord aufarbeitet, über "Bei xi mo shou – Behemoth", in dem Zhao Liang Zeugnis von der Ausbeutung und Vernichtung der Ressource Natur und Mensch in China ablegt, bis zu Frederick Wisemans dreistündiger Erkundung der Gentrifizierung des New Yorker Viertels Jackson Heights ("In Jackson Heights"). Dazu kommt unter anderem noch eine ganze Reihe von biographischen Dokumentarfilmen über Janis Joplin ebenso wie über Jim Jarmusch oder Jia Zhangke.

Den österreichischen Nationalfeiertag am 26. Oktober macht das Festival aus aktuellem Anlass zum "Internationalfeiertag", der im Gartenbaukino ausschließlich Filmen über Flucht und Migration gewidmet ist. Es beginnt am Vormittag mit frühen Filmen Chaplins, auf die am Nachmittag Elia Kazans Epos "America, America" folgt. Am Abend stehen dann Gerald Igor Hauzenbergers Dokumentarfilm "Last Shelter" und die Österreich-Premiere von Jakob Brossmanns Dokumentarfilm "Lampedusa im Winter" auf dem Programm, ehe der Thementag mit Clint Eastwoods "Gran Torino" endet.

Nicht übersehen werden sollten aber auch die Tributes und Special Programs. So bietet eine Werkschau Einblick in das Schaffen des 1952 in Ituzaingó geborenen Argentiniers Raúl Perrone. Eine Filmreihe zur Erinnerung an den heuer verstorbenen portugiesischen Regisseur Manoel de Oliveira wird nach dem Festival im Filmmuseum fortgesetzt, und die Schauspielerin Tippi Hedren wird mit ihren beiden Hitchcock-Filmen "The Birds" und "Marnie", zu dessen Vorführung Hedren in Wien erwartet wird, geehrt.

Mit einem Kurzfilmprogramm und drei Spielfilmen wird auch das Werk des 1976 geborenen Uruguayers Federico Veiroj vorgestellt. Spezialprogramme widmen sich dem griechischen Kino des letzten Jahrzehnts ebenso wie den Filmen, bei denen die Amerikanerin Ida Lupino, die vor allem als Schauspielerin aus Gangsterfilmen der 1940er Jahre bekannt ist, für Regie und Produktion verantwortlich zeichnet.

Zur Entdeckung des österreichischen Genre- und Exploitationkinos lädt das Special Program "Aus Fleisch und Blut – Austrian Pulp: Genre-Kino aus Wien und anderswo" ein. Von Michael Kertesz Stummfilm "Frau Dorothys Bekenntnis" (1921) über die Halbstarken-Kolportage "Asphalt" (Harald Röbbeling, 1951) und den Nudistenfilm "Das Mädchen mit dem Mini" (Paul Milan, 1964) bis zu Franz Novotnys "Exit … Nur keine Panik" (1981) wird hier wildes, ungestümes und unanständiges Kino geboten.

Fixpunkt jeder Viennale ist schließlich auch in Zusammenarbeit mit dem Filmmuseum eine große Retrospektive. Heuer steht diese ganz im Zeichen der Tiere. Mit 140 kurzen und langen Filmen von den Anfängen der Filmgeschichte bis zur Gegenwart wird dabei unter dem Titel "Animals – Eine kleine Zoologie des Kinos" der Darstellung der Beziehung zwischen Mensch und Tier im Film nachgespürt.

Trailer zur Viennale 2015 (von Tsai Ming-Linag)