Viennale 2010: Eine geballte Ladung Festivalhits

140 Spiel- und Dokumentarfilme zeigt die Viennale vom 21. Oktober bis 3. November. – Und das Programm liest sich wieder wie ein Schaulaufen der Festivalerfolge und Kritikerlieblinge des vergangenen Jahres. Große Namen fehlen ebenso wenig wie (noch) eher unbekannte Filmemacher, nur auf Mainstreamkino verzichtet Viennale-Direktor Hans Hurch weitgehend.

Schon der Eröffnungsfilm hat es in sich. Nachdem Xavier Beauvois´ "Des hommes et des dieux" schon bei den Filmfestspielen in Cannes auf große Beachtung gestoßen war, lockte diese Geschichte um acht katholische Mönche, die 1976 in Algerien von einer islamistischen Bande verschleppt und ermordet wurden, in Frankreich innerhalb von zwei Wochen mehr als eine Million Besucher ins Kino und stand wochenlang an der Spitze der französischen Kinocharts.

Hochkarätiges bieten auch die anderen Tage. Apichatpong Weerasethakuls Cannes-Sieger "Onkel Boonmee" steht ebenso auf dem Programm wie Sofia Coppolas Löwen-Gewinner "Somewhere". Woody Allen ist mit "You Will Meet a Tall Dark Stranger" präsent und Jean-Luc Godard mit "Film Socialisme". Mike Leigh zeigt den Cannes-Liebling "Another Year" und Olivier Assayas sein fünfstündiges Terroristenporträt "Carlos". Vergeblich sucht man im Programm aber entgegen den letztwöchigen Ankündigungen in den Vorarlberger Medien Reinhold Bilgeris "Der Atem des Himmels" - wäre ja auch nicht nur vom qualitativen Standpunkt her ein völliger Fehlgriff gewesen, sondern auch vom Umstand her, dass Bilgeris dilettantischer Vorarlberg-Werbefilm schon seit einem Monat in den heimischen Kinos läuft.

Vor allem beim Programm des Filmfestivals von Venedig konnte Hans Hurch sich offensichtlich großzügig bedienen. Der griechische Überraschungsfilm "Attenberg" sorgte dort ebenso für Aufsehen wie Alex de la Iglesias "Balada triste de la trompeta", der stilistisch an die Filme Tarantinos erinnern soll. Für viel Aufsehen sorgte am Lido auch Kelly Reichardts Frauen-Western "Meek´s Cutoff" und schon in Berlin konnte man aus der Riege der starken unabhängigen US-Frauen Debra Graniks „Winter´s Bone“ bewundern.

Ein weiteres Highlight der Berlinale, das nun auch die Viennale ziert, ist Thomas Arslans meisterhafte Studie eines Profiverbrechers "Im Schatten". Neues bringt dagegen Viennale-Stammgast Rudolf Thome mit "Das rote Zimmer" an die Donaumetropole. Stark vertreten ist die in den letzten Jahren viel beachtete rumänische Kinematographie. Von Cristi Puiu, der mit "Der Tod des Herrn Lazarescu" auf sich aufmerksam machte, findet sich der dreistündige "Aurora" im Programm, Radu Muntean ist mit der Dreiecksgeschichte "Marti, dupa craciun" ("Dienstag, nach Weihnachten") vertreten und auch der in Locarno preisgekrönte "Morgen" fehlt nicht.

Für beste Unterhaltung sollte Francois Ozon mit "Potiche" sorgen, während Robert Rodriguez und Ethan Maniquis mit "Machete" etwas für Leute, deren Herz für trashige Action schlägt, bieten dürften. Aber auch formal eigenwillige Amerikaner wie Todd Solondz mit "Life During Wartime" und Gregg Araki mit "Kaboom" sind vertreten.

Dem am Rande Liegenden wird bei der Viennale mehr Platz eingeräumt, als dem durch die Werbung groß Gepushten. Mahamat Saleh-Harouns neuer Film "Un homme qui crie" wird hier ebenso die Chance geboten ein Publikum zu finden wie dem Locarno Sieger "Han Jia" ("Winter Vacation") oder Lee Chang Dongs Cannes-Preisträger "Shi" ("Poetry"), die wohl allesamt kaum einen Verleiher finden werden.

Neben den 84 Spielfilmen gibt es auch wieder eine starke Auswahl an Dokumentarfilmen. Nicolas Philiberts Orang-Utan-Beobachtung "Nènette" kann man hier ebenso entdecken wie Jia Zhangkes "Shanghai Zhuan Qi" ("I Wish I Knew") oder Frederick Wisemans Blick auf einen Box-Club in "Boxing Gym".

Wie gewohnt bietet die Viennale aber nicht nur ein "Best of" der Festival dieses Jahres, sondern blickt auch auf die Filmgeschichte und rückt mit Tributes und Special Programs einzelne Filmschaffende besonders in den Mittelpunkt. Während im Österreichischen Filmmuseum schon seit Anfang Oktober eine große Eric-Rohmer-Retrospektive läuft, wird in Special Programs unter anderem der kanadische Filmemacher Dénis Côté, der mit seinen sperrigen Filmen Irritation oder auch Unverständnis auslöst, und der 1976 geborene Experimentalfilmer Siegfried A. Frühauf gewürdigt.

Und in den Tributes wird an den (fast) vergessenen amerikanischen Genre-Regisseur Larry Cohen und den im Mai dieses Jahres verstorbenen französischen Kameramann William Lubtchansky erinnert. – Garantiert sollte mit diesem dicht gedrängten Programm sein, dass Wien wie jedes Jahr Ende Oktober für 13 Tage wieder ganz im Zeichen des Films steht.