Very British! - Die Ealing Studios

5. Juli 2010 Walter Gasperi
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Seit 1902 gibt es das nach dem Londoner Stadtteil Ealing benannte Filmstudio. Berühmt ist es vor allem für die sehr britischen Komödien, die hier zwischen 1947 und 1957 produziert wurden. Zeitlose Klassiker sind Filme wie "Kind Hearts and Coronets – Adel verpflichtet" (1949) oder "Ladykillers" (1955).

Schwarzer Humor und eine knochentrockene Erzählweise sind die Markenzeichen der Ealing-Komödien. Mehr als von der Inszenierung leben sie von perfekt aufgebauten Drehbüchern, in denen der genau beobachtete britische Alltag und sorgfältig charakterisierte Figuren mit einer teils bizarren Geschichte verknüpft wird. Aus diesem Widerspruch entwickelt sich durch die zurückhaltende, alles wie selbstverständlich hinnehmende Inszenierung große Komik.

Nichts Spektakuläres ist ja dran, wenn sich ein Kammerorchester bei einer alten Dame einmietet. Den Kick bekommt " The Ladykillers" (Alexander Mackendrick, 1955) freilich dadurch, dass sich hinter den scheinbar biederen Musikern Gangster verbergen, die die Tarnung für einen Banküberfall nützen wollen. Verstehen kann man auch den Zorn des enterbten Louis Mazzini in "Kind Hearts and Coronets – Adel verpflichtet" (1949). Bissig wird es freilich, wenn er beschließt, um doch noch ans Erbe zu kommen, die acht vor ihm gereihten Verwandten zu beseitigen und Regisseur Robert Hamer die Adeligen, die allesamt von Alec Guiness gespielt werden, jeweils auf eine andere, aber immer zur Person passende Art aus dem Leben scheiden lässt.

Die Kleinen setzen sich da immer wieder gegen die gehobene Gesellschaft zur Wehr. In "The Lavender Hill Mob" (Einmal Millionär sein, 1951) bereitet ein unauffälliger, scheinbar seriöser Bankbeamte ganz nebenbei einen großen Bankraub vor und in "The Titfield Thunderbolt" ("Titfield Express, 1953) starten die Bewohner einer Kleinstadt eine Protestaktion gegen die Schließung einer Kleinbahn. Alexander Mackendrick wiederum rechnet in "The Man in the White Suit" (1951), in dem ein Chemiker eine unzerstörbare Faser erfindet, mit dem Monopolismus von Industriebetrieben und Gewerkschaften ab.

Zwar waren nur 17 der 58 Nachkriegsproduktionen des Studios Komödien, dennoch prägten diese das Image von Ealing. Kaum mit diesem Studio in Verbindung gebracht wird dagegen der alptraumhafte "Night of Dead" (Traum ohne Ende, 1945), das Drama „Scott of the Antarctic" ("Scotts letzte Fahrt", 1948), über die letzte Südpol-Expedition Robert Scotts oder die Kriegsfilme "The Cruel Sea" ("Der große Atlantik", (1952) und "Dünkirchen" (1958). 1955 wurde aufgrund wirtschaftlicher Probleme das Studiogelände an die BBC verkauft, Ealing produzierte aber noch drei Jahre unter eigenem Namen Filme in der Londoner Filiale von MGM, ehe der Betrieb endgültig eingestellt wurde.

Wiederbelebung erfuhr das Studio mit der Jahrtausendwende. Oliver Parkers Oscar Wilde-Verfilmungen "The Importance of Being Earnest" (2002) und "The Picture of Dorian Gray" (2010) wurden ebenso von Ealing produziert wie die spritzige Noel Coward-Adaption "Easy Virtue" (2008), die mit ihren rasanten Rededuellen freilich näher den amerikanischen Screwball- als den britischen Ealing-Komödien ist.