Uncanny Values. Künstliche Intelligenz & Du
Mit der Ausstellung Uncanny Values. Künstliche Intelligenz & Du erforscht das MAK eines der wichtigsten Themen der kommenden Jahrzehnte, das auf alle Bereiche unseres Lebens folgenreiche Auswirkungen hat: künstliche Intelligenz (KI). Um die Potenziale von künstlicher Intelligenz und damit verbundener Technologien zu verstehen, mitzugestalten und sinnvoll einzusetzen, bedarf es einer neuen kulturellen Sensibilität, die diese Ausstellung anregen will. Multimediale Installationen von 18 internationalen KünstlerInnen und DesignerInnen stehen in einem großzügigen Parcours im Dialog mit Beispielen und Szenarien aus aktuellen Anwendungsgebieten von KI.
Genau 100 Jahre ist es her, dass Sigmund Freud über das Unheimliche („The Uncanny“) geschrieben hat. Der japanische Robotiker Masahiro Mori hat für Maschinen, die so menschenähnlich sind, dass es uns schaudert, den Begriff des „Uncanny Valley“ (das „unheimliche Tal“) geprägt. Nicht erstaunlich also, dass uns Maschinen, die für sich selbst lernen, denken und handeln können, unheimlich erscheinen. KIs sind in immer größerem Ausmaß Teil unseres Lebens, unserer sozialen Verbindungen, unseres politischen und ökonomischen Handelns. Es stellt sich die Frage, was für eine Art Lebewesen die omnipräsente KI bereits ist und einmal werden wird und auf Basis welcher Werte dies geschieht.
Ist eine KI demokratisch? Kann sie jemals verstehen, was es heißt, als Menschen zusammen zu leben? KI wertet unsere politischen und ökonomischen Interessen aus: was wir lesen, posten, wählen, kaufen, mit wem wir Kontakt haben usw. Und sie spielt mit Algorithmen in unseren Entscheidungsprozessen mit. Welche Rolle spielt ein Tech-Konzern, wenn seine Algorithmen fehlerhaft sind oder manipulieren? Wer ist intelligenter oder verantwortungsvoller: ProgrammiererInnen oder intelligente Systeme?
In Gesellschaft, Politik, Wirtschaft, Ökologie, kurz als Zivilisation, müssen wir gemeinsam mit unseren Maschinen neue Werte entwickeln. Uncanny Values. Künstliche Intelligenz & Du öffnet eine Vielzahl von Blickwinkeln auf ein Gebiet, das sich rasant entwickelt, dabei aber auch immer schwerer zu verstehen ist. Im Zentrum der Ausstellung stehen Fragen nach Kultur und Technologie, Menschsein, Macht, Kontrolle und Orientierung im unheimlichen Tal der künstlichen Intelligenz.
Vor diesem Hintergrund bringt die Ausstellung KI und die BesucherInnen anhand verschiedener Themencluster und geschichtlicher Stränge in Beziehung. Eine wesentliche Orientierungsebene sind die Techniken, die bereits KI-gestützt arbeiten: Sprachassistenten oder Übersetzer („Natural Language Processing“), Bilderkennung und -erzeugung („Machine Vision“) oder die Vorhersage unseres Einkaufsverhaltens („Prediction“), bei der KI von unseren Daten („Deep Learning“ u. a.) lernt.
Wie diese Techniken mit unserer Welt interagieren, wird in einem die ganze Ausstellungshalle umspannenden Informationsdesign durchleuchtet: KI & Wirtschaft, Gesundheit, Politik, Emotionen, Kultur, Denken, Zukunft, Sicherheit, Ökologie, Sex und Intimität – die Weichen für künftige Szenarien müssen weise gestellt werden. Uncanny Values sucht Annäherungen an Haltungen und Werte, die uns ermöglichen, gemeinsam eine ökologisch, sozial, kulturell und wirtschaftlich gerechte, nachhaltige und zukunftsfähige Gesellschaft zu gestalten.
Zu den gezeigten Arbeiten zählt u. a. die spektakuläre Neuproduktion Asunder (2019) der KünstlerInnen Tega Brain, Julian Oliver und Bengt Sjölén (Berlin/New York): Auf mehreren Screens kann live beobachtet werden, was KI an unserem Planeten ändern würde, um ein Gleichgewicht von Ressourcen, sozialer Gerechtigkeit, Artenschutz und nachhaltiger Produktion sicherzustellen. Mit unvorhersehbaren Ergebnissen.
Das Thema Überwachung greift etwa die Videoinstallation Behold These Glorious Times! (2017) von Trevor Paglen auf. Sie konfrontiert die BesucherInnen mit Hunderttausenden Bildern, mit denen neuronale Netze im Erkennen und Analysieren von Emotionen, Gesten und Gesichtsausdrücken trainiert werden.
Mit der raumgreifenden Installation Probably Chelsea (2017) zeigt die Künstlerin Heather Dewey-Hagborg dreißig mögliche Porträts der US-amerikanischen Whistleblowerin Chelsea E. Manning, die algorithmisch durch eine Analyse ihrer DNA erzeugt wurden. Die brisante Verknüpfung genetischer Daten mit hochentwickelter Technologie gibt eine unheimliche Vielzahl von Informationen darüber, wer und was man ist.
Einen Ausblick auf das Co-Design zwischen KI und Mensch eröffnet beispielsweise The Chair Project (Four Classics, 2019) der Designer Philipp Schmitt und Steffen Weiss. Menschliche und künstlich intelligente Designer schließen sie zum Entwerfen zusammen. Mit dem Wegfall eines physischen Körpers erdenkt die Technologie ganz neue Formen klassischer Sitzmöbel, die in Wien erstmals als Prototypen im Maßstab 1:1 präsentiert werden.
Uncanny Values. Künstliche Intelligenz & Du zeigt insgesamt sieben Neuproduktionen und elf aktuelle Werke der internationalen KünstlerInnen und DesignerInnen Rachel Ara, automato.farm, Mladen Bizumic, Tega Brain, James Bridle, Giulia Bruno und Armin Linke in Zusammenarbeit mit Luc Steels, Simon Denny, Heather Dewey-Hagborg und Chelsea E. Manning, Constant Dullaart, Lynn Hershman Leeson, David Link, Jonas Lund, Julian Oliver, Trevor Paglen, Philipp Schmitt und Steffen Weiss, Bengt Sjölén, Superflux und Jorinde Voigt.
„AImojis“ und neuronale Netzwerke
Auch das Setting der Ausstellung greift auf KI zurück: Kernstück des Kommunikationsdesigns sind „AImojis“, von künstlicher Intelligenz kreierte Emojis (AI generated Emojis). Das Wiener Grafik- und Interaktionsdesignbüro Process Studio (Martin Grödl und Moritz Resl) trainierte ein neurales Netzwerk, das anhand einer Datenbank einiger Tausend häufig verwendeter Emojis gelernt hat, eigene Variationen dieser digitalen Gesichter zu erschaffen. Jedes AImoji zeigt noch unbekannte „künstliche“ Emotionen. Das von Bika Rebek und Daniel Prost (Some Place, Wien/New York) entwickelte Ausstellungsdisplay geht auch räumlich – ähnlich einem neuronalen Netzwerk – auf die vielschichtige Vernetzung der Themen ein. Eine u. a. mit Techniken aus der KI arbeitende Vermittlungsebene, die in Zusammenarbeit mit Process Studio und Christoph Engemann entwickelt wurde, vertieft Inhalte in der Ausstellung und auf der Ausstellungswebsite (Onlinekatalog) uncannyvalues.org.
Ausstellungsort
MAK-Ausstellungshalle
MAK, Stubenring 5, 1010 Wien
Uncanny Values. Künstliche Intelligenz & Du
29. Mai bis 6. Oktober
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