Tragikomik der menschlichen Existenz - Woody Allen wird 75

Mit der Regelmäßigkeit eines Uhrwerks bringt Woody Allen Jahr für Jahr einen neuen Film in die Kinos. 41 hat der als Allan Stewart Konigsberg geborene Komiker, Autor und Regisseur inzwischen schon gedreht, mit "Midnight in Paris" ist der 42. gerade in Arbeit. Am 1. Dezember wird der eingefleischte New Yorker 75 - ein Anlass, zu dem das Filmpodium Zürich Allen eine Retrospektive widmet.

Ähnlich wie Charlie Chaplin mit dem Tramp hat Woody Allen mit dem neurotischen Großstädter eine Figur geschaffen, die untrennbar mit seiner Person verbunden ist. So überzeugend wirkt diese freilich nur, weil unübersehbar viel von ihrem Autor und Erfinder selbst drinnen steckt, in ihr quasi sein Alter Ego gesehen wird.

Wie dieser Stadtneurotiker, der in "Annie Hall" (19777) seine markanteste Ausprägung fand, entstammt Allen selbst aus einer jüdischen Familie, schwärmt für die europäische Kultur, speziell die Filme Bergmans und Fellinis, und hat mit Hollywood nicht viel am Hut. Die Fragen nach Gott und dem Sinn des Lebens, die Angst vor Krankheit und Tod, vor allem aber Probleme in der Beziehung zu Frauen – all das traut man dem kleinen Mann mit rotem Haar und schwarzer Hornbrille auch im wahren Leben zu.

Schon als 16-Jähriger schrieb Allen Gags für Komiker, arbeitete bald als Sketchschreiber für Fernsehshows, ehe er ab 1961 selbst in Nachtclubs auftrat. Nachdem er mit der Überarbeitung eines japanischen Films zum parodistischen Spionagefilm "What´s up, Tiger Lily?" 1966 seine Filmkarriere gestartet hatte, führte er schon mit seinem ersten eigenen Film "Take the Money and Run" (1969) die typische Allen-Figur ein. Ganz dem deutschen Titel "Woody – der Unglücksrabe" entsprechend spielt er einen echten Looser, einen Bankräuber, der sich ausgesprochen ungeschickt anstellt und schließlich zu 800 Jahren Knast verurteilt wird.

Wie dieses Debut sprühen auch seine folgenden Satiren und Parodien "Bananas" (1970), "Everything you Always Wanted do Know about Sex** and Were Afraid to Ask" (1971), "Sleeper" (1973) und "Love and Death" (1975) vor Wort- und Bildwitz, lassen aber eine dramaturgische Linie vermissen. Ganz bei sich ist Allen erst mit dem Porträt eines neurotischen Großstädters in "Annie Hall" (1977), entwickelt diese Linie weiter in "Manhattan" und lässt die Figur immer wieder aufleben bis hin zu "Anything Else" (2003).

Doch trotz dieser wiederkehrenden, das Werk Allens dominierenden Figur schlug er dazwischen auch immer wieder höchst beglückende Kapriolen. Schwer tat man sich zumindest bei der Erstaufführung mit seinem todernsten, unübersehbar von Ingmar Bergman beeinflussten Familiendrama "Interious" (1978) und auch der sich an Fellinis "Otto e mezzo" anlehnenden Auseinandersetzung mit einer künstlerischen Krise in "Stardust Memories" (1980) wollte das Publikum nicht folgen.

Ein Glanzstreich gelang Allen 1983 mit "Zelig", in dem er im Stil eines Dokumentarfilms von einem menschlichen Chamäleon erzählt, das sich mühelos seiner Umwelt anpasst. Virtuos mit Schein und Sein spielte er in "The Purple Rose of Cairo" (1985), blickte liebevoll in die Glanzzeit von Hollywood zurück und erklärte dem Kino seine Liebe wie zwei Jahre später in "Radio Days" den Radiosendungen der 40er Jahre oder 1999 dem Swing der 30er Jahre im Porträt des fiktiven Gitarristen Emmet Ray in "Sweet and Lowdown".

Zu seinen Anfängen mit "Take the Money and Run" kehrte er mit der Gaunerkomödie "Small Time Crooks – Schmalspurganoven" (2000) zurück und in "Melinda and Melinda" (2004) ließ er metapoetisch eine typische Allen-Geschichte einmal tragisch und einmal komisch durchspielen. Wirklich Neues schien ihm allerdings nicht mehr einzufallen, bis der untrennbar mit seiner Heimatstadt New York verbundene Filmemacher einen Ortswechsel wagte und ihm in London mit "Match Point" (2005) ein pechschwarzes messerscharf inszeniertes Meisterwerk gelang. Beste Unterhaltung bot mit seinen hinreißenden One-Linern auch Allens nächstes England-Projekt "Scoop" (2006), während "Vicky Cristina Barcelona" (2008) viel Reiz aus der ausgiebig ins Bild gerückten katalanischen Metropole und einem starken Schauspieler-Ensemble, aus dem eine feurige Penelope Cruz herausragte, bezog.

Wie sehr bei Allen Rückbesinnung auf seine Wurzeln und Aufbruch zu Neuem ständig abwechseln, zeigen auch seine neuesten Filme. Realisierte er mit „Whatever Works“ (2009) ein Drehbuch aus den 70er Jahren, dessen Hauptrolle für Zero Mostel geschrieben war, so betritt er mit seinem nächsten Film zumindest geographisch wieder Neuland: "Midnight in Paris" wird – der Titel verrät es schon - in der Seinemetropole spielen.