In der multimedialen Ausstellung "Touch Nature" werden rund 100 internationale Künstler:innen vorgestellt, die zu den verheerenden politischen, ökonomischen, ökologischen und humanitären Auswirkungen des Anthropozäns Stellung beziehen.
Dass Künstler:innen nicht nur Missstände dokumentieren und Widerstand formulieren, sondern auch Utopien entwerfen, wird dabei deutlich.
Die Ausstellung thematisiert zentrale Herausforderungen unserer Zeit wie die wirtschaftliche Ausbeutung von Landschaften, die zunehmende Bodenversiegelung und die Auswirkungen des Konsumverhaltens. In zum Teil interdisziplinärer Zusammenarbeit entstehen künstlerische Projekte, die sich mit der Welternährung, der Ausbreitung von Seuchen und den Folgen des Kolonialismus auseinandersetzen. Darüber hinaus regt die Auseinandersetzung zum Perspektivwechsel an. Sie entwickelt hoffnungsvolle Visionen für ein neues Verhältnis des Menschen zur Natur, für einen achtsamen und respektvollen Umgang mit unserer Umwelt.
Die Ausstellung basiert auf der gleichnamigen Ausstellungsreihe, die von 2021 bis 2024 in Zusammenarbeit mit 12 österreichischen Kulturforen in Europa und den USA gezeigt wurde, wobei österreichische Kunstschaffende mit Künstler:innen des jeweiligen Gastlandes in einen kreativen Dialog traten. Die Schau im Lentos fasst diese Ausstellungsreihe zusammen, ergänzt sie um bedeutende internationale Positionen und präsentiert mit rund 100 Künstler:innen einen multinationalen Überblick zur aktuellen künstlerischen Auseinandersetzung mit Klimakrise und Umweltzerstörung.
Die britische Künstlerin Claire Morgan etwa lässt die Natur in Form toter, präparierter Tierkörper in den Kunstraum einbrechen. Voller Poesie und Einfühlungsvermögen führt das räumlich inszenierte Stillleben den gewaltsamen Umgang mit unserer Natur unmissverständlich vor Augen. Rebecca Smiths großformatige Zeichnung "Atmosphere" (2014) veranschaulicht das hochkomplexe und sensible System der 80 Kilometer dicken Erdatmosphäre.
Wie zerstörerisch der Mensch agiert und damit nachhaltige Veränderungen hervorruft, vermittelt Marielis Seyler eindrücklich und unmittelbar, indem sie die Betrachter über großformatige, auf dem Boden liegende Fotografien von Schmetterlingen " trampeln" lässt.
Hans Schabus veranschaulicht in seinem Film "Val Canale" (2005) mit Luftaufnahmen die irreversiblen Eingriffe des Menschen in Naturräume und Gregor Sailer hält das Verschwinden der Gletscher fotografisch fest. Julius von Bismarck beschäftigt sich mit der durch den Menschen verursachten Zunahme von Wetterextremen. In "Irma to Come in Earnest" (2017) werden wir Zeug:innen der unerbittlichen Gewalt eines Hurrikans der Stufe 5 - bedrohlich und ehrfurchtgebietend, in Zeitlupe verlangsamt.
Oliver Ressler dokumentiert Aktionen zivilen Ungehorsams gegen Umweltzerstörung. Ines Doujak entlarvt die globalen Folgen kolonialer Ausbeutung und thematisiert das Schicksal von Landverteidigerinnen aus aller Welt, die sich für den Schutz von Ökosystemen einsetzen.
Dystopien und Utopien, wie das Leben auf der Erde in Zukunft aussehen könnte, eröffnen Experimentierräume. Arbeiten wie "Octoplasma" (2017) von Thomas Feuerstein, ein Hybrid aus anatomischen Darstellungen einer menschlichen Leber und eines Tintenfisches, thematisieren die mögliche Zukunft der Genmanipulation. Für "Fermenting Futures" (2021) von Anna Dumitriu & Alex May wird eine spezielle Hefe mit der Genschere CRISPR/Cas so verändert, dass sie nicht nur das vom Menschen inflationär ausgestoßene CO2 binden, sondern auch Milchsäure für die Produktion des biologisch abbaubaren Kunststoffs PLA freisetzen kann.
Die Idee der Vernetzung allen Lebens auf dem Planeten wird auf unterschiedliche Weise visualisiert. In "Sensitive Dependence" (2023) überträgt Floriama Candea die Herzfrequenz der Besucherinnen und Besucher auf eine interaktive Installation. Lungenähnliche Objekte beginnen zu "atmen" und vermitteln ein Gefühl der Verbundenheit. Alfred Hruschka macht sich die Natur zum kreativen Verbündeten. Er arbeitet mit Naturmaterialien und Kulturabfällen und setzt diese Gebilde der Witterung, dem Tierfraß und den Mikroben aus - er versteht und nennt sie als Mitauror:innen. Das Netzwerk von nicht-menschlichen Akteur:innen, das die gesamte Erde umfasst, wird so offen gelegt.
Barbara Anna Husars "UDDER" (2018), ein 3.500 m³ großer, euterförmiger, pinkfarbener Heißluftballon, ist eine soziale Skulptur am Himmel, die auf einen Wertewandel im 21. Jahrhundert hinweisen und einen Perspektivwechsel im Umgang mit der Umwelt einleiten soll, gegen den Wachstumszwang unserer gegenwärtigen Ökonomie, hin zu einer Balance zwischen Mensch und Natur.
Anne Duk Hee Jordan visualisiert in ihrer Videoarbeit "Ziggy and the Starfish" (2016-18) eine farbenprächtige Unterwasserwelt, ein sinnliches Fest, das dem menschlichen Auge normalerweise verborgen bleibt. Die Arbeit imaginiert Einblicke in die Selbstwahrnehmung durch die Augen des nicht-menschlichen "Anderen".
Touch Nature
24. Jänner bis 18. Mai