Das Kunstmuseum Liechtenstein hat den 1956 in Richmond, Virginia, USA, geborenen Künstler Tony Cokes eingeladen, in einen Dialog mit der Sammlung des Museums zu treten. Daraus ist die eindrucksvolle Ausstellung „Let Yourself Be Free” entstanden. Sie präsentiert Leuchtkästen, Schrift- und Videoinstallationen des Künstlers zusammen mit einer neuen Auftragsarbeit sowie Werken verschiedener Künstler:innen aus der Sammlung.
Ein zentrales Prinzip der Ausstellung wie auch von Cokes' Praxis ist das unerwartete Nebeneinanderstellen, Remixen und Neuinterpretieren. Im Mittelpunkt steht eine neu entwickelte Dreikanal-Videoinstallation, in der Cokes drei Figuren reflektiert: den für das Kunstmuseum Liechtenstein prägenden Galeristen und Sammler Rolf Ricke, den Minimal-Art-Künstler und Sammler Donald Judd sowie den wegweisenden, ebenfalls sammelnden Kurator Harald Szeemann. Cokes „mischt” ihre Texte und Biografien zu neuen Geschichten, die die durchlässigen Beziehungen zwischen künstlerischer Produktion, Sammeln, Präsentieren und Bewerten von Kunst beleuchten.
Tony Cokes ist bekannt für seine einzigartigen Videoarbeiten, in denen Zitate aus ganz unterschiedlichen Texten mit leuchtend farbigen Hintergründen und Musik kombiniert werden. So entstehen Sequenzen, die die Betrachter:innen dazu anregen, neu zu überdenken, wie Bilder und Klänge unser Verständnis von Politik, Kultur und Macht formen. Cokes bezeichnet sich selbst als „Post-Konzeptkünstler” und betont, dass es ihm weniger um die Produktion von Bildern geht als vielmehr um die Untersuchung unserer Beziehung zu ihnen. Wie ein DJ sampelt und remixt er Fragmente aus Popkultur und Massenmedien, um herrschende Codes zu unterlaufen. Seit Ende der 1980er-Jahre beschäftigt er sich kritisch mit Medien- und Machtverhältnissen, Rassismus und Konsumverhalten. Neben Social Media greift er auf Found Footage, also bereits existierendes Filmmaterial, sowie auf journalistische Texte und philosophische Schriften zurück.
Während er in seinen frühen Arbeiten noch häufig Bilder aus der Popkultur und dem Zeitgeschehen übernahm, entschied Cokes nach den Anschlägen vom 11. September 2001, bewusst auf traumatische Bildwelten zu verzichten. So entstand die einflussreiche „Evil Series” (2001 ff.), die das ideologische Klima der Post-9/11-Ära untersucht, ohne die in den Medien kursierenden Bilder zu reproduzieren. Dies markierte einen grundlegenden Wandel: weg vom Bild als Medium, hin zu einer Praxis, die das Publikum einlädt, auf bereits gespeicherte Bilder im eigenen Gedächtnis zurückzugreifen, sie sich vorzustellen und neu zu verarbeiten. „Warum sollte man ein und dasselbe Bild noch einmal zeigen”, fragt Cokes, „wenn man beim Publikum gerade durch den Verzicht auf das ikonische Bild unterschiedliche Vorstellungen hervorrufen kann?”
Ebenso entscheidend wie der Text ist der Sound in Cokes' Arbeiten und in dieser Ausstellung. Oft setzt er Pop-, Hip-Hop- oder elektronische Tracks ein, um eine Reibung zu den konzeptuellen Textelementen zu erzeugen. In „Free Britney?” (2022) setzt er sich mit dem Rechtsstreit um die Vormundschaft der Pop-Ikone auseinander, indem er ihre Songtexte mit der zeitgenössischen Medienberichterstattung in Dialog setzt.
In jüngerer Zeit richtet Cokes den Blick verstärkt auf die Geschichte und Rezeption von Konzeptkunst und Minimalismus. An diesen Fokus knüpft die Ausstellung im Kunstmuseum Liechtenstein an. Tony Cokes präsentiert ausschließlich Werke aus seinem Œuvre, die sich mit Persönlichkeiten und Themen aus den Bereichen der bildenden Kunst und der Musik auseinandersetzen. Diese treten in Beziehung zu ausgewählten Arbeiten von Nazgol Ansarinia, Bill Bollinger, James Lee Byars, Dan Flavin, Dan Graham, Anne Marie Jehle, Donald Judd, Gary Kuehn, Allan McCollum, Liliana Moro, Cady Noland, Steven Parrino, Pope.L, Fred Sandback, Richard Serra und Andy Warhol.
Tony Cokes lebt und arbeitet in Providence, Rhode Island, wo er als Professor am Department of Modern Culture and Media der Brown University tätig ist. Er wurde 2025 als „Medalist (Established Artist)” bei den „Art Basel Awards” ausgezeichnet, 2024 mit dem renommierten „MacArthur Fellowship” geehrt und erhielt 2023 den „Rome Prize” der „American Academy in Rome”.
Tony Cokes
Let Yourself Be Free
26. September 2025 bis 1. März 2026
Vernissage: Donnerstag, 25. September 2025, 18 Uhr
Kuratiert von Letizia Ragaglia in enger Zusammenarbeit mit dem Künstler