Schon wieder Le Corbusier? Bei einer Architekturexkursion nach Südfrankreich unterwanderte sonntags die Gruppe unerlaubterweise die Unité d’Habitation in Marseille. Auf der Dachlandschaft mit Kindergarten, Freilufttheater, Turnsaal und Wasserbecken trafen wir alle wieder zusammen, jede, jeder über ein anderes Schlupfloch eingestiegen ... Ein paar Jahre zuvor hatte ich im französischen Architekturmuseum im Pariser Palais de Chaillot am Place du Trocadéro schon das Eins-zu-eins Modell einer einzelnen Wohneinheit entdeckt und begehen können, trotz frischer Versiegelung des Holzbodens, dafür unmöbliert. Das wunderbare Buch "Kinder der Moderne – vom Aufwachsen in berühmten Gebäuden" gab den Impuls mich nun wieder mit dieser "Wohnmaschine" zu beschäftigen.
Der menschliche Maßstab bildet sich im Modulor – von Le Corbusier auf Basis des Goldenen Schnitts entwickelt – raumoptimierend ab. Dass dieser auch insgesamt bei 337 Maisonetten auf 18 Stockwerken nicht abhanden kommt, dafür sorgt das Konzept einer vertikalen Stadt mit verschiedenen Geschäften, kleinem Hotel und Wäscherei in der siebten und achten Etage. Die Maisonetten sind von Ost nach West "durchgesteckt". Eingang, ausgetüftelte Miniküche und Wohnen wird vom – zugegeben etwas dunklen – Hausflur aus erschlossen. Bei der einen Wohneinheit führt die Treppe nach oben, bei der anderen nach unten, die zentrierte "Innenstraße" braucht es also nur in jedem dritten Geschoß. Jede Wohnung hat auf beiden Seiten eine Loggia, einmal eingeschoßig, einmal doppelgeschoßig. Die Großzügigkeit nach draußen ist besonders eindrucksvoll vom Wohnbereich und dem zugeordneten offenen Schlafzimmer aus zu spüren. Die Kinderzimmer sind sehr schmal, falls die Tafelwand-Schiebetüre zu ist, aber bei Bedarf und Lust genauso vergrößerbar. Ein Raumwunder, durchdacht bis ins kleinste Detail!