Time for Revollusion in Stuttgart

Wenn sich Nasan Tur mit einem "türkischen" Schnauzbart ablichten lässt, um das Foto anschließend in seinem deutschen Personalausweis zu verwenden, spielt er mit Identitätsfragen und Ausländer-Klischees. Gleichzeitig thematisiert der in Offenbach geborene Künstler aber auch das Demokratieverständnis eines Landes, in dem alles Fremde zunehmend unter Verdacht steht. Wie geht man damit um? Zivilen Un- gehorsam leisten?

Stuttgart im Superwahljahr. Die Stadt ist ein Meer aus Plakaten und Politparolen, die um die Gunst des Bürgers werben. Doch hat die einzelne Stimme Gewicht? Wird sie, über das Wahlkreuz hinaus, gehört? Ja, zumindest wenn es nach dem Willen von Nasan Tur geht. Der deutsche Künstler mit türkischem Hintergrund setzt in seiner eigens für das Kunstmuseum entstandenen Arbeit "Stuttgart says" den anonymen Stimmen der Stadt ein Denkmal: Auf eine 70 Quadratmeter große Museumswand sprayt der 35-Jährige über 400 Graffiti-Sprüche, die an Hauseingängen oder Steinmauern in Stuttgart zu finden sind, bis sich die Schriftzüge zu einem nicht mehr zu entziffernden Gewebe verdichten.

Spontan Protestwilligen stellt Tur mit seiner neuen Arbeit "Demo-Kit-Automat" eine Maschine zur Verfügung, die die nötige Grundausrüstung für eine Demonstration auswirft. Kunst oder Agitation? Mit einem ironischen Augenzwinkern nimmt sich der elfte Künstler in der Ausstellungsreihe "Frischzelle" der Frage nach individuellen Handlungsspielräumen an – einschließlich denen der Kunst.


Frischzelle 11 - Nasan Tur
19. September bis 13. Dezember 2009