Thomas Feuerstein. Psychoprosa

In seiner Ausstellung "Psychoprosa" setzt der österreichische Künstler Thomas Feuerstein (*1968 in Innsbruck, lebt in Wien) biochemische Prozesse als künstlerisches Ausdrucksmittel ein und schafft eine Installation im Grenzbereich zwischen Kunst und naturwissenschaftlicher Versuchsanordnung. Er verwandelt die Räume der Galerie im Taxispalais in ein zusammenhängendes Ensemble aus Gewächshaus, Laborküche, Kühlraum und Fabrik.

Die über Schläuche untereinander in Verbindung stehenden Apparaturen und Objekte erscheinen als handelnde Akteure: Substanzen werden in gläsernen Skulpturen von unsichtbaren Laboranten transformiert, Kühlschränke öffnen und schließen sich wie von Dämonen und Geistern belebt, transparente schleimige Fäden tropfen von raumgreifenden gläsernen Installationen. Feuerstein stellt in seinen Werken, die neben den Medien Skulptur und Installation auch Grafik, Malerei, Fotografie und Netzkunst einschließen, vielschichtige Bezüge zu Biologie, Technologie, Wissenschaftstheorie, Ökonomie, Philosophie und Kulturgeschichte her.

Prägend für sein künstlerisches Schaffen ist die Auseinandersetzung mit unterschiedlichen Theorien und deren ästhetische Aneignung. Er nutzt naturwissenschaftliche Methoden, um in seinen prozessualen Installationen das Faktische mit dem Fiktiven zu verschränken, den Wahrheitsanspruch wissenschaftlicher Erklärungsmodelle zu dekonstruieren und neue Bedeutungszusammenhänge entstehen zu lassen. Chemisch-physikalische Vorgänge werden zu Metaphern für gesellschaftliche Strukturen, Vorstellungen aus der antiken Philosophie mischen sich in dem von Feuerstein eröffneten Forschungsfeld der Daimonologie mit Phänomenen der heutigen technologisierten Welt.

Die Ausstellung in der Galerie im Taxispalais verknüpft neue Arbeiten mit einigen älteren, zuvor in Tirol noch nicht ausgestellten Werken, zu einem eigenen Narrativ. Die installativen Arbeiten werden durch Grafiken und ein Hörstück ergänzt, die weitere Interpretationsräume öffnen. Am Anfang steht ein Gewächshaus, in dem Algen und Pilze kultiviert werden. Die organischen Materialien werden in gläserne Skulpturen gepumpt, um über einen chemischen Prozess ein synthetisches Halluzinogen zu gewinnen: das bislang in der Natur nicht vorkommende Molekül Psilamin. Aus der restlichen Biomasse der Algen und Pilze geht ein Schleim hervor, der durch Erhitzen, Kühlen und Rühren zu einem Material von zähfließender Konsistenz wird: Dicke Fäden und Schlieren formen sich zu einer transparenten, liquiden Skulptur.

Würde man sich die "molekulare Skulptur" Psilamin einverleiben, würden sich feste Gegenstände in der Wahrnehmung verflüssigen und zerfließen. So wird die psychotrope Wirkung der halluzinogenen Substanz, die der Ausstellungsbesucher freilich nicht erfährt, sondern nur fantasieren kann, in der Ausstellung als realer Prozess gespiegelt. Die Entgrenzung zwischen Innen- und Außenwelt ist ein zentraler Aspekt in Feuersteins "Psychoprosa". Der Schleim, der sich thematisch wie real durch die gesamte Ausstellung zieht, nimmt einerseits Bezug auf die Horrorliteratur und ihren frühen Meister H. P. Lovecraft (1890–1937), andererseits verweist er – als soziale Metapher – auf Fragen nach der Definition des Individuums und gesellschaftlicher Entgrenzung.


Thomas Feuerstein. Psychoprosa
7. März bis 10. Mai 2015