Telling Tales

Die Ausstellung "Tellling Tales" vereint zehn künstlerische Positionen der baltischen Staaten und der Schweiz zum Thema der Narration, welche aus dem kollektiven Gedächtnis ebenso wie aus persönlichen Erfahrungen schöpft. Ein Hauptthema für viele baltische Kunstschaffende ist das Erbe der Sowjetischen Besetzung, gefolgt vom Kommunismus und schliesslich der Unabhängigkeit. Gefundene Fotografien und Filmsequenzen, welche Aspekte ihrer Vergangenheit dokumentieren, sind Arbeitsmaterial für einige der ausstellenden KünstlerInnen.

Andere untersuchen Ansichten zum freien politischen und künstlerischen Ausdruck oder der Wichtigkeit des Kontextes für die Interpretation von kulturellen Phänomenen. Im Kontrast dazu beschäftigen sich die Schweizer Kunstschaffenden weder mit ihrer nationalen Vergangenheit noch mit ihren eigenen Biografien. Stattdessen entwickeln ihre Werke Fiktionen, welche die Mythenbildung thematisieren, rufen historische Ästhetik wach oder analysieren den Einfluss archivarischer Prozesse auf die Konstruktion des kollektiven Gedächtnisses.

Typisch für viele Künstlerinnen in den baltischen Staaten, untersuchen auch einige Teilnehmer von "Telling Tales" (Märchen erzählen) die turbulente Geschichte ihrer Länder, indem sie sich Dokumentationsmaterial aneignen und dieses adaptieren. Die beiden Künstlerinnen aus Talinn verwenden Film und Fotografie, um die sozialen und ökonomischen Konditionen, welche Frauen definieren, anzusprechen: Marge Monko fokussiert die Auswirkungen, welche der Niedergang der Textil-Manufaktur in Estland auf die Arbeit der Frau hat, während Liina Siib untersucht, inwiefern das Leben von Frauen im post-sowjetischen Kontext durch ihr Besetzen von öffentlichen und privaten Räumen definiert wird. Katrina Neiburgas Videoporträt des Pressehauses in Riga ist eine poetische Dokumentargeschichte über die Erinnerungen des verlassenen Gebäudes, welches einst als Mittelpunkt der Kommunikation in Lettland operierte.

In seiner grossangelegten Installation beschäftigt sich der Litauische Künstler Dainius Liskeviius mit Formen des freien politischen oder künstlerischen Ausdrucks, indem er sich auf drei zentrale Figuren des Aufstandes seines Landes gegen die Sowjetische Besetzung bezieht. Die nacherzählten Geschichten des Letten Paulis Liepa und der aus Litauen stammenden Egle Karpaviciute sind indirekter: Liepas Drucke von Räumen und Alltagsgegenständen steigern die Materialität von Dingen und wiederholen ganz bewusst die Ästhetik der 1970-er Jahre. Seine Wahl des Zeitkonsums und des manuellen Prozesses sind widerspiegelt in Karpaviciutes kleinformatigen Malereien, welche Werke berühmter Künstler zitieren und deren universelles Verständnis hinterfragen, indem ihnen der gewohnte Kontext entzogen wird.

Aus Mangel einer die nahe Vergangenheit betreffenden vergleichbaren nationalen Geschichte, legen die Schweizer Künstlerinnen in der Ausstellung den Fokus auf das Schaffen von fiktionalen Erzählungen. Die Installationen von Petra Köhle / Nicolas Vermot Petit-Outhenin analysieren die Rolle von archivarischen Prozessen in der Konstruktion des kollektiven Gedächtnisses. Der in "Telling Tales" gezeigte Film basiert auf der Dokumentation von wichtigen Wand- und Deckenmalereien in Deutschland während des zweiten Weltkrieges und enthüllt die Verbindungen zwischen technischen Entwicklungen in der Fotografie und der Rolle der Propaganda. Sandrine Pelletier kombiniert eine handwerkliche Herangehensweise mit einem Interesse für Popkultur, um zugleich subversive und melancholische Geschichten zu verweben. Den Salon, welchen sie für die Ausstellung kreiert hat, erinnert an Kolonialinterieurs und an die englische Arts & Crafts Bewegung.

Laurent Kropfs eklektische Installationen verwenden eine Vielfalt an Materialien und eine Mannigfaltigkeit an Referenzen, namentlich Mythen und Riten unseres Kulturerbes entnommen. Das Environment. welches er für die Ausstellung konzipiert hat, besteht aus geometrischen Formen. welche an einen mysteriösen Wagenkonvoi erinnern. Lutz & Guggisberg konstruieren fiktive Mythen, welche Bräuche, Atmosphären oder linguistische Formen parodieren. Ihre neue Installation zeigt ein "heiliges" und meditatives Ambiente, in dessen Fokus eine mit wundersamen Eigenschaften dotierte Skulptur liegt.

Telling Tales
KünstlerInnen aus der Schweiz und den Baltikstaaten
2. Februar bis 6. April 2014