Tea & Coffee, Piazza & Towers

In der postmodernen Aufbruchsstimmung der 80 Jahre initiierte Alberto Alessi zusammen mit dem italienischen Architekten und Designer Alessandro Mendini, Mitbegründer des Studio Alchimia, die Alessi-Silberkollektion "Tea & Coffee Piazza". Mendini, der sich schon früh mit den Wechselbeziehungen von Design und Architektur beschäftigte, begann um 1979 das "Tea & Coffee Piazza" Projekt zu entwickeln und gab damit den bahnbrechenden Anstoß für eine neue radikale Auseinandersetzung mit dem Universum des Gestaltens. Er gewann elf der wichtigsten jungen, internationalen Architekten dafür, Tee- und Kaffee-Geschirr zu entwerfen, das mehr war als schicker Hausrat.

Beschritten wurde ein neuer Weg des analytisch, philosophischen Gestaltens in Form eines architektonischen Manifestes. So gestaltete Michael Graves Kannen, die wie Wehrtürme aussahen, Charles Jencks Tee Set deklinierte die Formensprache antiker Säulen und Aldo Rossi’s Kannendeckel sahen aus wie spitzgiebelige Dächer. Und alle Tee & Kaffee Sets gruppierten sich als architektonisches Ensemble auf der Piazza des Tabletts. "Es gilt, Bilder zu schaffen, keine Ideologie", schrieb Mendini einige Jahre später in "Domus". Er wollte Architektur, die jahrzehntelang auf reinen Funktionalismus reduziert worden war, reemotionalisieren. Alle diese Entwürfe schärften die Sinne für Konstruktion und Komposition, für Symbolik und Ritus und waren darüber hinaus Material gewordene Ironie. Diese Serie ist ein architektonisches Zeitdokument auf Mikroniveau, ein "postmodernes" Statement über die gegenseitige Befruchtung von Architektur und Design.

2003 griffen Alessi und Mendini mit den Alessi "Tea & Coffee Towers", die Idee des Zusammenwirkens der Disziplinen Architektur im Großen und Design im Kleinen ein weiteres Mal auf, um das Paradoxon von Dimensionen, der Anpassung des Maßstabs und der Vereinigung unterschiedlicher Funktionen zu erarbeiten. Die 20 ausgewählten internationalen Architekten, unter ihnen David Chipperfield, Morphosis, Greg Lynn, Wiel Arets, Toyo Ito und Massimiliano Fuksas, haben mit ihren Arbeiten, so Alessandro Mendini "Szenarien und Vorschläge angeboten, kritische Zeichen gesetzt, richtige Schritte getan. Die Objekte sind Ausdruck neuer Ereignisse, eines wieder erlangten Bewusstseins und Verantwortungsgefühls für Dinge. Sie sind keine exzentrische, keine rein stilistischen, sondern durch und durch anthropologische Zeichen".

Beide Kollektionen, die einen Bogen spannen von der Postmoderne in die Gegenwart, übertragen eine architektonisch geprägte Formensprache in das Produktdesign. Die auch "Mikro-Architektur" genannten Kleinobjekte entspringen in ihrer Entwurfsdynamik und ihrem Erscheinungsbild überwiegend einem architektonischen Denken. Das Spiel mit Maßstäben, die wechselbare Logik der Teile, wird zum gemeinsamen Nenner. Es verwundert daher kaum, dass hauptsächlich Architekten in diesem Feld reüssieren, von den Heroen der Postmoderne wie Graves und Hollein, Tigerman und Venturi bis zu gegenwärtigen Stars wie Chipperfield, Nouvel und Hadid.

Die Serien "Tea & Coffee Piazza" und "Tea & Coffee Towers" greifen zwei wichtige Themen auf: den Begriff des "Multiple" und die Miteinbeziehung international bekannter Architekten in die Erforschung des Designs. Mendini, der das Ende des "Bel designs italiano" voraussah, hat dies lebhaft befürwortet. „Gespalten zwischen der Verantwortung gegenüber Tradition und der Faszination, die vom Unbekannten ausgeht“, spürte er die Notwendigkeit, zu den Anfängen des Designs zurück-zugehen, in die fünfziger Jahre, als die "reinen" Architekten begonnen hatten, Objekte zu entwerfen.

Der Anspruch der Alessi Tee- und Kaffee-Sets orientiert sich an ähnlich aufwendigen Projekten der Wiener Werkstätten um Josef Hoffmann und Otto Wagner sowie am Art Deco der dreißiger Jahre. Mit den ausgestellten Arbeiten legten die Entwerfer zum ersten Mal nach langer Pause wieder für Architektur und Industriedesign identische Entwurfsprinzipien und Denkräume zugrunde. Nicht zuletzt die Begriffe "Piazza" und "Towers" selbst verweisen auf das tektonisch definierte und fixierte Arrangement der Kaffee- und Tee-, Zucker und Milchgefäße.

Die speziell für das Grassi Museum für Angewandte Kunst geschaffene Inszenierung der Ausstellung orientiert sich an der jüngst rekonstruierten Art déco-Pfeilerhalle, die mit ihren in den Raum hineinragenden Dreieckpfeilern die Vorlage für die Positionierung der Ausstellungsvitrinen im Raum lieferte. In spannungsvoller Kontrastierung werden Tee & Kaffee-Sets in Form postmoderner Architektursolitäre der pluralen Vielfalt zeitgenössischer Architekturformen im Design gegenübergestellt und Mikro-Architekturen für den Tisch schaffen so eine Stadtlandschaft, die sich um Plätze und Höfe gruppiert.

Tea & Coffee, Piazza & Towers
22. April bis 12. September 2010