Tanz Briederrchen, tanz!

18. Januar 2012 Rosemarie Schmitt
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Eine Sammlung von Ballett-Musiken ohne russische Kompositionen wäre wie dieser deutsche Winter, irgend etwas fehlte... Ach, wie schön könnte doch der Winter sein, wenn er wäre. Sein kaltes Gesicht, so erfrischend, so lebendig. Stellen Sie sich vor wie Väterchen Frost zu einer Polonaise tanzt, wie selbst der Hagel zu einem Scherzo wird und die Schneeflocken, wie es ihnen liegt, sich zu einem Walzer finden. Ach wie schön ist doch der Winter des Nilpferdes!

Welches Nilpferdes? "(...) Ich versuchte also, ein Nilpferd aus dem Sumpf meiner Erinnerungen zu ziehen. Es heißt Glasunow, dieses gütige, freundliche und hilfsbereite Nilpferd," sagte Dmitri Schostakowitsch. Und dieser schöne Winter (siehe eingangs) beschreibt den ersten Satz des allegorischen Balletts "Die Jahreszeiten" (Wremena Doda) von Alexander Glasunow. Beinahe alle (lesen Sie weiter) liebten Glasunow, und Glasunow liebte sie, die Musik und die Astronomie.

Als Sascha (unter anderem im Russischen, die Koseform des Namens Alexander) 8 Jahre alt war, schenkten seine Eltern ihm zu Weihnachten das Fernrohr "Galileo Galilei". Zu jener Zeit war es das Beste und Neueste was es gab, und so begehrt wie etwa der Nimbus 2000 von Harry Potter! Mit diesem Fernrohr und einer Schrift von Kopernikus über die Betrachtung der Wandelgestirne entwickelte sich Sascha rasch zu einem begabten Hobbyastronom. Und so kam es, daß er beides zu verknüpfen begann, die Sternenkunde und die Musik; das heißt, die Sternenkunde und die Namen großer Komponisten. So war die Sonne, um die überhaupt alle kreisten: Mozart.

Johann Sebastian Bach war der Mond, vermutlich nicht wegen seines Gesichtes, sondern weil der Mond Herr der Gezeiten ist, wie Bach der Herr der Musik. Als Gott des Krieges, Mars also, wurde Beethoven benannt, dies wohl eher aufgrund dessen "Eroica" als wegen der "Neunten". Oh, der weise Saturn, er hätte sicherlich nichts dagegen einzuwenden gehabt, durfte Joseph Haydn sein. Franz Schubert wurde von dem jungen Glasunow die Rolle des Neptun zugewiesen. Neptun, der als Planet etwa 4,5 Milliarden Kilometer von Mozart - also der Sonne – entfernt, und der äußerste des Sonnensystems ist. Der schnellste Planet mit den größten Temperaturschwankungen war Felix Mendelssohn Bartholdy, auch bekannt als Merkur.

Und weil Glasunow so ein humoriges und daseinsfreudiges Menschenkind war, nahm er es Schostakowitsch gewiß nicht übel, ihn eines Nilpferdes zu bezeichnen. Alexander Glasunow wurde überhaupt von beinahe all (siehe oben) seinen Komponisten-Kollegen geliebt und geschätzt. Prokofieff stand mit seiner Einschätzung ziemlich alleine da: " (...) Nichts haßte (Prokofieff) mehr als die gute, alte akademische Tradition Russlands, als deren Inbegriff er Glasunow verabscheute." Das können Sie in dessen Autobiografie nachlesen, müssen Sie jedoch nicht! Ich bin eher geneigt, mich dem Urteil Rimsky-Korsakows anzuschließen: "(...) Glasunow ist der letzte unter uns und mit ihm geht die jetzige russische Musik, die neue russische Ära zu Ende – schrecklich!"

Und mit "unter uns" meinte Nikolai Rimsky-Korsakow vermutlich "Das Mächtige Häuflein", oder auch "Gruppe der Fünf" genannt. Dies war eine Gemeinschaft russischer Komponisten, die sich 1862 (3 Jahre bevor Glasunow geboren wurde) in Sankt Petersburg zusammenschloß. Dazu gehörten: Mili Balakirew, Alexander Borodin, César Cui, Modest Mussorgski und Nikolai Rimski-Korsakow. Sie selbst nannten sich die Novatoren.

Eine etwas kleinere Gruppe, da derer bloß 4, jedoch ein nicht minder mächtiges Häuflein, finden Sie auf der CD "Russian Ballett Music", die die "Ballett-Edition" von Emi-Classics um eine weiteres Schmankerl erweitert. Der "Gruppe der Vier" gehören hier an: Nikolai Rimsky-Korsakow, Alexander Glasunow, Dmitri Schostakowitsch und Aram Khatchaturian, dessen Säbeltanz aus dem Ballett "Gayaneh" spätestens mit dem "Kosakenkaffee" in Deutschland gefeiert wurde! Tanzt Briederrchen, tanzt! Und da man vor dem mächtigen Häufchen der für Gleichberechtigung kämpfenden Feministinnen nirgends und niemals sicher sein kann: Tanzt Schwästerrchen, tanzt!, vielleicht zu Korsakows "Scheherazade"?

Herzlichst,
Ihre Rosemarie Schmitt