Susan Rothenberg - Wegbereiterin des Neoexpressionismus

Erstmals in einer Museumsausstellung in Österreich zeigt die Kunsthalle Krems das Werk der amerikanischen Malerin Susan Rothenberg (1945 - 2020). Die Retrospektive gibt einen umfassenden Einblick in ihr vielschichtiges Schaffen.

Susan Rothenberg gilt als Wegbereiterin des Neoexpressionismus. Ihre Werke trugen in den 1970er und 1980er Jahren zur Wiederbelebung der figurativen Malerei bei und prägten die Kunstgeschichte entscheidend mit. Mit ihren Arbeiten ebnete die Künstlerin den Weg für eine neue expressive Bildsprache und inspirierte eine Generation von Künstler:innen.

Susan Rothenberg begann ihre künstlerische Laufbahn Ende der 1980er Jahre in New York City. In einer von Minimalismus und Konzeptkunst dominierten Kunstszene suchte sie nach einer neuen Ausdrucksform. Mitte der 1970er Jahre begann die Künstlerin, monumentale Pferdebilder zu malen. Die ersten, in Siena-Brauntönen gehaltenen Pferdebilder erinnern an die archäologischen Pferdemalereien in den Höhlen von Lascaux. Rothenberg verweist damit auf die Geburtsstunde der Malerei. In der Arbeit "Split" (1974) lösen sich die Konturen der Pferdefigur vor dem braunen Hintergrund förmlich auf. Das Bild wirkt wie eine prähistorische Höhlenmalerei in Rötel und Kohle. Die Arbeiten erinnern an Wisente (europäische Bisons), Hirschkühe und Pferde, die im grafischen Profil festgehalten sind und schemenhaft auf der Felsoberfläche schweben.

In der Folge entstanden schwarz-weiße Pferdebilder in dynamischer Bewegung und Fragmentierung des gegenständlichen Bildmotivs. 1974 präsentierte sie in der 112 Greene Street Gallery in New York erstmals ihre ikonischen "Horse Paintings", eine Serie stilisierter Pferdedarstellungen in reduzierten Kompositionen. In einer von Minimalismus und Konzeptkunst geprägten Zeit markierten diese Arbeiten den Übergang von der abstrakten zur figurativ-expressionistischen Malerei und wurden als Meilenstein gefeiert.

1978 nahm Rothenberg an der Ausstellung "New Image Painting" im Whitney Museum of American Art teil. Diese Schau stellte Künstler:innen vor, die sich bewusst von der Abstraktion abwandten und neue figurative Ansätze verfolgten. Rothenberg war eine führende Stimme dieser Bewegung. Ihre Werke zeichnen sich durch einen dynamischen Pinselstrich, eine kraftvolle Farbgebung und emotionale Intensität aus. 1982 war Susan Rothenberg als einzige Frau neben Künstlern wie Georg Baselitz, Anselm Kiefer und Julian Schnabel in der bedeutenden Ausstellung "Zeitgeist" in Berlin vertreten. Diese Ausstellung gilt als eine der zentralen Präsentationen des Neoexpressionismus und festigte Rothenbergs Position als Wegbereiterin dieser Strömung auch international. In den folgenden Jahren entwickelte die Künstlerin ihre Bildsprache weiter. Waren die frühen Werke von grafischer Strenge und stilisierten Formen geprägt, wurden ihre späteren Bilder freier und expressiver. Bewegung, Raum und Energie rückten zunehmend in den Mittelpunkt ihrer Malerei. Susan Rothenbergs Gemälde wurden 1992 auch auf der documenta IX in Kassel gezeigt, die sich mit zeitgenössischer Malerei von Gerhard Richter bis Per Kirkeby beschäftigte.

1990 zog Susan Rothenberg mit ihrem Mann, dem Konzeptkünstler Bruce Nauman, nach New Mexico. In Galisteo lebte das Paar auf einer Ranch mit vielen Haustieren. Die Pferde, die schon lange Protagonisten ihrer Malerei waren, wurden nun als "Mitbewohner" auf ihrem Anwesen unmittelbarer Teil ihres Alltags. In dieser Phase wandte sich Rothenberg verstärkt Tier- und Landschaftsmotiven zu. In der Arbeit "Lemon Flip Rabbit" (1991/92) jagen Hunde einen Hasen. Neben Naturmotiven fanden auch persönliche und mythologische Elemente Eingang in ihre Bildwelt. Beeinflusst von der Weite der Landschaft und dem Licht des Südwestens zeichnen sich die Bilder dieser Zeit durch eine erdige Farbpalette und eine noch freiere, oft gestische Pinselführung aus.

In Rothenbergs Spätwerk treten zunehmend Marionetten und fragmentierte menschliche Körper in den Vordergrund. In diesen Bildern spiegelt sich Rothenbergs fortwährende Auseinandersetzung mit Bewegung, Dynamik, dem Zusammenspiel von Form und Raum, Kontrolle und menschlicher Existenz. Die Darstellung von Marionetten kann als Metapher für das Spannungsverhältnis zwischen Freiheit und Determination interpretiert werden. In der Marionetten-Serie von 2008 tanzen Puppenkörperteile, der Schwerkraft enthoben, auf der monochromen Bildfläche. "Olive" (2008) zeugt von dieser monochromen Einheit von Figur und Grund. In "Red" malte die Künstlerin die an ihren Fäden hängenden Marionettenteile kopfüber, der Schwerkraft enthoben. Farbrinnsale bestimmen die Ausrichtung des gemalten Bildes. Parallel dazu kehrte die Künstlerin in einigen Werken zu realistischeren Tierdarstellungen zurück, wobei sie ihren expressiven Stil beibehielt und verfeinerte. Ihre Themen sind sowohl persönlich als auch universell.

Susan Rothenberg
5. April bis 2. November 2025