Die Ausstellung im Architekturzentrum Wien (Az W) zeichnet die Geschichte eines Lebensideals nach, das - ausgehend von den Vorstädten der USA - die Welt erobert hat und in den populären Medien immer wieder reproduziert wird. Gleichzeitig werden die Widersprüche dieses Modells und seine sozialen und ökologischen Folgen wie Flächenverbrauch, Versiegelung und Verödung analysiert und die Frage nach der Zukunft gestellt.
Der amerikanische Traum kann mit einem Bild beschrieben werden, das in der Zeit stehen geblieben zu sein scheint: Ein großes Haus mit Garten, Pool und zwei Autos in der Garage. Ein ruhiger, sicherer Ort für die Kernfamilie, nahe an der Natur und in einer menschenfreundlichen Umgebung. In diese von Politik, Wirtschaft und Unterhaltungsindustrie massiv geförderte Denk- und Bilderwelt führt die Ausstellung. Die Kulturgeschichte des Einfamilienhauses hat ihren Ursprung in den gehobenen amerikanischen Wohnvierteln des frühen 19. Jahrhunderts. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die Typologie massiv weiterentwickelt und verbreitet. Die Ausstellung beleuchtet die wirtschaftlichen, politischen und sozialen Hintergründe dieser rasanten Verbreitung in den USA und darüber hinaus. Dabei wird deutlich, dass das Modell auf sozialer, ethnischer und geschlechtsspezifischer Segregation beruht und einen enormen Flächenverbrauch mit sich bringt.
Die von Philipp Engel für das CCCB kuratierte Ausstellung wurde für das Az W adaptiert und um einen Österreich-Schwerpunkt erweitert. Auch hierzulande will ein Großteil der Menschen seine eigene Version dieses Traums am Stadtrand verwirklichen. Laut einer aktuellen Studie der BOKU hat sich der Anteil der hoch verdichteten Fläche in Österreich zwischen 1975 und 2020 verfünffacht - vor allem durch freistehende Einfamilienhäuser, großflächige Gewerbegebiete und Einkaufszentren. Die Folge: Verkehrsflächen zerstören die Landschaft, die rasant fortschreitende Versiegelung bedroht Biodiversität und Ernährungssicherheit, Ortskerne veröden, Haushalte geraten in Isolation und Überforderung in einer alternden Gesellschaft. Das Bild halbverwaister, in die Jahre gekommener Häuser und Siedlungen prägt viele Teile des Landes. Anstatt neu zu bauen, stellt sich die Frage, wie der Bestand der rund 1,5 Millionen Einfamilienhäuser für die Zukunft nutzbar gemacht werden kann. Gelungene Beispiele von Umbauten, Umnutzungen, Nachverdichtungen oder neuen Wohn- und Arbeitsformen sollen das enorme Potenzial und attraktive Alternativen aufzeigen.
Der erste Teil der Ausstellung beschäftigt sich mit der Erfindung des Einfamilienhauses in den USA.
Als die industrielle Revolution zu Beginn des 19. Jahrhunderts die USA erreichte, wurden die Großstädte zu Motoren des Fortschritts, galten aber auch als gefährliche Orte und weckten die Sehnsucht nach einem Rückzugsort außerhalb. Das Aufkommen neuer Verkehrsmittel revolutionierte die Mobilität, führte zur allmählichen Besiedlung der Stadtränder und verwandelte das Umland in Wohngebiete. Mit Llewellyn Park (New Jersey) und Tuxedo Park (New York) entstanden ab Mitte des Jahrhunderts die ersten Gated Communities. Vor allem das Automobil wurde zum Symbol der Freiheit und läutete die Geburtsstunde der großangelegten Fertighaussiedlungen ein, die nun überall aus dem Boden schossen.
Mit staatlicher Unterstützung in Form großzügiger Kredite für Kriegsveteranen entstanden nach dem Zweiten Weltkrieg Vorstädte nach fordistischer Fließbandlogik. Der Baby- und Konsumboom fand in 11 Millionen Einfamilienhäusern statt, die mit allen möglichen elektrischen Haushaltsgeräten ausgestattet waren - immer begleitet von einem Fernsehprogramm, das den neuen Vorstadtfamilien idealisierte Versionen ihrer selbst bot, mit gleicher Hautfarbe, gleichen Erfahrungen, gleichem Alter und gleicher Rollenverteilung. In den 1970er Jahren dokumentierte der Fotograf Bill Owens die Widersprüche seiner suburbanen Umgebung.
Was als Traum begann, wurde zum Alptraum. Die Vorstellung eines sicheren und heiteren Ortes wurde nach und nach von Angst, Paranoia und Verbrechen überlagert. In der Tradition des amerikanischen Schauerromans war das Haus schon immer ein Ort des Grauens. Mit der Massenproduktion von Häusern etablierte sich ein neues literarisches und filmisches Genre, der „Suburban Gothic“ (Vorstadthorror). Das Unsichere und Bedrohliche der Suburbs ist auch Thema bei den Fotograf:innen Angela Strassheim und Gabriele Galimberti. Kate Wagner karikiert die Vorstadthäuser in ihrem Blog "McMansion-Hölle".
Mit dem Aufkommen des New Urbanism in den 1990er Jahren wurde angesichts des drohenden Endes des Erdölzeitalters der Tod der Vorstädte angekündigt. Doch die Siedlungen wachsen und verändern sich. Heute leben 8 von 10 Amerikaner:innen in Vorstädten und 75 Prozent der Wohngebiete bestehen aus Einfamilienhäusern. Die Vorstädte sind jedoch ethnisch, sozial und wirtschaftlich vielfältiger geworden, wie die Fotoserien "Suburban Chinatown" von Jessica Chou und "Contemporary Suburbium" von Ed & Deanna Templeton zeigen. Die riesigen, komplexen und dynamischen Landschaften von heute entsprechen vielleicht nicht mehr ihrer Bezeichnung.
Der zweite Teil der Ausstellung beschäftigt sich mit dem Leben des amerikanischen Traums in Österreich. Zu Beginn dieses Schwerpunkts wird der Frage nachgegangen, wie der amerikanische Traum von Suburbia nach Österreich kam und hier begeistert aufgenommen wurde, welche Parallelen es zu den USA gibt und welche Besonderheiten die Entwicklungen in Österreich genommen haben. Warum die Österreicher:innen so an ihren Häusern hängen Im Rahmen einer Lehrveranstaltung der TU Wien zum Thema Einfamilienhaus (konzipiert von Barbara Steinbrunner, Isabel Stumfol und Lena Schartmüller) wurde nicht nur die sachliche Ebene behandelt, sondern auch persönliche Geschichten zu konkreten Einfamilienhäusern, die die emotionale Verbundenheit der Bauherr:innen mit ihren Häusern verdeutlichen.
Die Auswirkungen dieser beliebten Wohnform auf das Erscheinungsbild des Landes, aber auch auf den Klimawandel, die Ernährungssouveränität oder unsere Mobilität werden anschaulich dargestellt.
Geht man einerseits davon aus, dass Österreich "fertig gebaut" ist und andererseits der Wunsch nach der Wohnform Einfamilienhaus ungebrochen an erster Stelle steht, wird die Bauaufgabe Umbau und Umnutzung immer wichtiger. 13 gelungene Beispiele für ein Leben nach dem Einfamilienhaus machen Hoffnung.
Suburbia. Wohnen im amerikanischen Traum.
6. März bis 4. August 2025 | Messehalle 2
Eröffnung: Mi 5. März, 19:00 Uhr