Strategien der Unsichtbarkeit

Konzipiert als Überblicksausstellung, präsentiert das Projekt "Tactics of Invisibility" fünfzehn künstlerische Positionen aus der Türkei und ihrer Diaspora. Die Ausstellung, die in Wien, Istanbul und Berlin gezeigt wird, versucht mit dem über die Thematik der Schau entstehenden Diskurs sich mit den lokalen Kontexten auseinander zu setzten und diese aufzugreifen.

So bespielt die Präsentation in Wien zusätzlich zu den Räumlichkeiten der T-B A21, mit einer Plakatarbeit des Künstlerkollektivs Hafriyat den Außenraum in der Himmelpfortgasse und im KlausEngelhorn Depot in Ottakring. Die geladenen KünstlerInnen beziehen sich in unterschiedlicher Weise in ihren Arbeiten auf den Begriff der Unsichtbarkeit: als Abwesenheit und Taktik des Rückzugs, der Verweigerung, Tarnung und Maskierung, als Symptom des Verschwindens und als Residuen des Geisterhaften, als ein Mittel der Fokussierung auf andere Sinneserfahrungen.

In der Diskussion dieser künstlerischen Taktiken stehen die Potenziale des Nicht-Sichtbaren im Vordergrund sowie die Implikationen einer (freiwilligen oder symptomatischen) Ausgegrenztheit aus dem Regime des Sichtbaren. Dadurch reflektieren sie Fragen einer medial geregelten Bilderökonomie, in denen Sichtbarkeit als Mittel der Emanzipation ausgedient zu haben scheint und verweisen auf Erscheinungsformen eines attestierten "Einbruchs des Realen". Wie lässt sich Unsichtbarkeit als potentieller Raum verstehen, der es ermöglicht, außerhalb der Logik der Repräsentation zu handeln und damit Brüche und Zäsuren in einem vermeintlichen Sinnkontinuum erzeugen, in einer sich über Sichtbarkeit und Präsenz konstituierenden "Realität"? Die versuchsweise Suspension des herrschenden Bildregimes erlaubt, das Unsichtbare als eine ästhetische Strategie in den Blick zu nehmen und auf seine politischen Implikationen hin zu befragen.

"Tactics of Invisibility" zeigt Arbeiten von Sarkis, Füsun Onur und Ayşe Erkmen, deren frühe Werke und Praktiken den Weg geebnet haben für die Entwicklungen der 1990er Jahre, in denen Fragen von Multikulturalität, Identitätspolitiken, Migration und minoritärer Politik in den Vordergrund rückten. Das Werk von İnci Eviner, Kutluğ Ataman und Hale Tenger steht mit den Diskursen dieser Zeit in Verbindung, entwickelt diese jedoch in den aktuellen Arbeiten sehr spezifisch weiter. Ihre Projekte versuchen auf vielfältige Weise die Bedingungen der "Realität" in Frage zu stellen, indem sie konzeptuelle Brüche erzeugen oder Bedeutungsstrukturen analytisch zerlegen und neu arrangieren, was sie mit den künstlerischen Positionen einer jüngeren Generation – Cevdet Erek, Ali Kazma, Esra Ersen, Nilbar Güreş, Nasan Tur, Nevin Aladağ, Ahmet Öğüt, xurban_collective und das KünstlerInnenkollektiv Hafriyat – verbindet.

Esra Ersens installative Arbeit "I am Turkish, I am Honest, I am Dilligent", präsentiert im KlausEngelhorn Depot in Ottakring, umfasst 21 türkische Schuluniformen, die 2005 von 21 Linzer SchülerInnen über den Zeitraum von einer Woche getragen wurden. Deren Eindrücke und Erfahrungen in dem ungewohnten Gewand werden in einem Video reflektiert, das die Kinder in ihrem alltäglichen Umfeld in der Klasse und auf einem Ausflug zeigt. Im Rahmen von Soho in Ottakring (8. bis 22. Mai) ist ein Workshop mit der Künstlerin geplant.

Zur Ausstellung erscheint ein Katalog mit Beiträgen von Gudrun Ankele, Gülsen Bal, Emre Baykal, Hafriyat, Nicholas Mirzoeff, Nermin Saybaşılı, Pelin Tan, Jalal Toufic, xurban_collective, Daniela Zyman u.a. im Verlag der Buchhandlung Walther König.

Tactics of Invisibility

16. April bis 15. August 2010
Eröffnung: Do, 15. April 2010, 18 Uhr