Sterbstund

Die Ausstellung "Sterbstund" im Atrium des Vorarlberg Museums widmet sich dem vielfach verdrängtem Thema Tod. Er ist heute weitgehend unsichtbar geworden. Sterbende werden in Hospize oder Krankenhäuser gebracht. Früher verabschiedeten sich Familienangehörige, Freunde und Nachbarn zuhause von ihnen. Der Tod gehörte zum Leben. Mit dem Aufkommen der Fotografie wurde es Brauch, dass Bilder von Verstorbenen gemacht wurden. Die Kuratorin Rita Bertolini hat zahlreiche Sterbebilder, Zeichnungen von Vorarlberger Künstlern und weitere Objekte für diese Ausstellung zusammengetragen. Sie konfrontiert die Besucher mit dem Tod und stellt damit existentielle Fragen des Lebens.

Der Tod stellte früher ein besonderes und feierliches Ereignis dar: Das Sterbezimmer wurde mit Kerzen geschmückt; Familienangehörige, Freunde und Nachbarn versammelten sich und nahmen Abschied. Die Totenwache wurde gehalten, der Verstorbene ein letztes oder auch einziges Mal für die trauernde Nachwelt fotografiert. In der Ausstellung "Sterbstund" werden zahlreiche schwarz-weiß Fotografien im Großformat erstmals öffentlich gezeigt. Diese Bilder taugen nicht für Voyeurismus, sie werden mit Tüchern verhüllt – Tücher, die an Versehtücher erinnern und die gleichzeitig die Tabuisierung des Todes andeuten. Wie sehr der Tod früher ein Teil des Lebens war, zeigen auch andere Objekte in der Ausstellung. Auf einer Hausinschrift in Tschagguns aus dem 18. Jahrhundert stand auf einem Holzbalken: "Ein Man ist in der Welt der klobfen wört an. Wan du in hören wörst muest auf und dar fon. 1772" (Ein Mann ist in der Welt, der anklopfen wird. Wenn Du ihn hören wirst, musst auf und davon). Die Populariät des heiligen Christopherus, in der Schau durch ein Relief von Kaspar Albrecht repräsentiert, geht auf seine Bedeutung als Schutzheiliger zurück. Er sollte vor "unversehenem Tod" bewahren, vor dem Tod ohne Sterbesakramente. Die Ausstellung wirft Fragen auf: Was ist wirklich wichtig im Leben? Worauf werde ich zurückblicken? Was wird von mir bleiben? Die Auseinandersetzung mit der Endlichkeit kann eine Hilfe bei den großen Entscheidungen im Leben sein. Vor allem bei jungen Menschen ist der Tod heute der gründlich tabuisierte Störenfried in einer Atmosphäre allseits propagierter Lebenslust. Und doch ist er unser Schicksal.
Sterbstund 30. Oktober bis 22. November 2015