Stadt der Sklaven

Mit einer umfangreichen Präsentation von Plänen, Zeichnungen, Skulpturen, Modellen und Installationen aus den Jahren 2005 – 2008 stellt das Museum Folkwang vom 25. April bis 6. Juli 2008 das neueste Projekt des niederländischen Künstlerkollektivs Atelier van Lieshout (AVL) zur Diskussion. "Slave City" ist eine Utopie; ein Stadtprojekt von AVL, das in konsequentester Form auf Rationalität, Effizienz und Profit ausgerichtet ist.

Als Ausgangspunkt des 2005 ins Leben gerufenen Projektes operiert Joep van Lieshout – der Kopf des Ateliers – mit gegenwärtigen ethischen und ästhetischen Werten, Vorstellungen über Ernährung, Klimaschutz, Organisation, Management und Markt, die neu kombiniert und interpretiert werden. "Slave City" zielt auf die totale Selbstversorgung, die sich als Pervertierung einer hochmodernen Leistungsgesellschaft darstellt.

Das Modell: Auf einer Fläche von ca. 60 Quadratkilometern mit einer Stadtbevölkerung von 200.000 Personen soll nach einem Investment von knapp 2 Milliarden Euro jährlich mehr als das Dreifache des Startkapitals erwirtschaftet werden. Die Stadt der Sklaven ist eine Stadt, der nur die Energie zur Verfügung steht, die sie selbst produziert. Sie kommt ohne importierte Kraftstoffe und Elektrizität aus. Der Energiebedarf der Stadt wird mit der Nutzung von Biogas-, Solar- und Windenergie gedeckt.

Die Stadt der Sklaven ist eine "grüne Stadt", in der keine Ressourcen verbraucht werden. Alles wird mit modernsten Technologien wiederverwertet, auch ihre Einwohner. Die "Teilnehmer" des Projektes – wie die Einwohner genannt werden – arbeiten täglich sieben Stunden im Dienstleistungsbereich (Fernkommunikation, Call-Shops, Programmierung, etc.), sieben Stunden auf den Feldern, Werkstätten oder in der Überwachung. Neben sieben Stunden Schlaf stehen drei Stunden Freizeit zur Verfügung. Die "Teilnehmer" werden mit dem Ziel der Profitmaximierung ausgebeutet, ein strenges Überwachungssystem sorgt dafür, dass jede Regelverletzung drakonisch bestraft wird.

Die Modelle der Stadt der Sklaven zeigen eine perfekt durchgestaltete und kreative Stadt, mit umfassender Infrastruktur, Dienstleistungsgebäuden, Universitäten, Gesundheits- und Einkaufszentren, Dörfern, Bordellen und Museen. Bei einem jährlichen Profit von 7.8 Milliarden Euro ist ein Kunstbudget von 78 Millionen Euro vorgesehen.

Joep van Lieshout (1963) gründete 1995 ein Künstlerkollektiv, um "die Rolle des Künstlers als Genie und isoliertes Individuum" zu hinterfragen. Im Jahr 2001 rief er AVL-Ville ins Leben, einen unabhängigen Stadtstaat im Hafen von Rotterdam. AVL-Ville verstand sich auch "als provokativer Gegenentwurf zu staatlicher Herrschaft und Monopol". Weder Behörden noch Politiker duldeten den Stadtstaat mit eigener Währung, verfassung und Flagge.

International bekannt wurde Joep van Lieshout in den 1990er Jahren mit der Herstellung mobiler Häuser und "Hüllen", deren Konzeption die Freiheit der Bewegung, die Flexibilität in der Gestaltung und die Unterwanderung behördlicher Genehmigungen zugrunde lagen. Zudem entwickelte AVL gebrauchsfertige Möbel, funktionstüchtige Toilettenanlagen, Schlafkojen, Wohnkapseln und Büroeinheiten. Seine Rectum-Bar in Form eines großen Verdauungsorgans wird während der Ausstellungsdauer vor dem Museum Folkwang in Betrieb sein.


Zur Ausstellung findet ein umfangreiches Begleitprogramm und ein Symposium unter dem Titel "Die Unfreiheit der Zukunft" in Kooperation mit dem Kulturwissenschaftlichen Institut NRW in Essen statt. Zur Ausstellung ist ein ausführlicher Reader in Vorbereitung.

Stadt der Sklaven
25. April bis 6. Juli 08