SOV-Konzert: Aus voller Lust

Das letzte geplante Konzert des Symphonieorchesters Vorarlberg der Corona-versenkten Saison 20/21 war das einzige, das tatsächlich viermal mit Covid-entsprechender Aufteilung des Publikums im Feldkircher Montforthaus stattfinden konnte. Es war zudem endlich der erfreuliche Einstand des neuen Chefdirigenten Leo Mc Fall im großen Rahmen. Auch das noch eine Zitterpartie, denn er kommt aus dem Hochrisikogebiet Großbritannien. Es hat aber geklappt! Sehr diszipliniert bildete sich eine bemerkenswerte Schlange vor dem Einlass, flatterten die gelben Impfpässe und Zettel für die beiden anderen "g's". Dankbar und erwartungsfroh füllte sich der Saal zur Hälfte, noch ... in der neuen Saison wird es hoffentlich anders.

Olivier Messiaens (1908–1992) Méditation symphonique "Les offrandes oubliées", sein erstes Werk für großes Orchester, machte den Auftakt, quasi ein Jugendwerk, am Ende seines Studiums am Pariser Consérvatoire komponiert. Die tiefe Religiosität zeigt sich schon im Titel: "Die vergessenen Opfergaben", über die Verstrickung des Menschen in Sünde, Güte und dem Willen Gottes, dem Menschen liebend zu begegnen, bis zum Opfertod Christi am Kreuz. Wie erhebend, den Klang eines vollbesetzten Symphonieorchester wieder live zu erleben! Und wie hervorragend geeignet ist dieses – gar nicht gefällige – Stück, wenn sich im ersten Satz "das Kreuz" als Klagelied der Streicher in verzweifelten Tonketten unterschiedlich langer melodischer Linien entfaltet, sich "die Sünde" im unhaltbaren Rasen von Habgier, Eitelkeit und Übermaß der Menschen dem Abgrund zubewegt, um in der "Eucharistie" die Musik in "rot, gold, blau" wie Kirchenfenster schimmert.

Leo Mc Fall ist ein eleganter Dirigent, der den vollen Klang seines Orchesters mit großer Lust zu Entfalten weiß. Dieses pure Vergnügen war im selben Maß bei den Musikerinnen und Musikern zu spüren, endlich wieder die Bühne ohne Abstand und das Haus mit den berührenden Pianissmi bis zu triumphalen Forti zu füllen. Perfekt gewählt die folgende Symphonie Nr. 6 von Anton Bruckner (1824–1896), die zu seinen Lebzeiten am wenigsten Beachtung fand. In voller Länge wurde diese Symphonie 1883 nur einmal in der Orchesterprobe, beim Konzert im Musikvereinssaal aber nur reduziert auf die beiden Mittelsätze (Adagio und Scherzo) aufgeführt. Gustav Mahler nahm sich dem Stück jedoch drei Jahre nach Bruckners Tod an, nicht ohne es stark zu bearbeiten und zu kürzen, die korrigierte Fassung der Originalpartitur wird erst seit dem Jahr 1935 aufgeführt. Eine Symphonie aus Schmerz und Triumph. Heftig pulsierend im Rhythmus, sehr feierlich, bis zum Trauermarsch, traumverhangen, pochend in schmetternden Fanfarenklängen, originell versetzt mit Pizzicato-Takten der Streicher und den antwortenden Hörnerrufen – Bruckner bezeichnete sie als "keckste" seiner Symphonien – münden die vier Sätze in ein festlich bewegtes Finale.

Überschwänglich der Applaus! Ja, so ein Erlebnis gibt es nicht in der Übertragung, nicht aus den Lautsprechern der Stereoanlage daheim, das gibt es nur physisch, mit allen Sinnen und insgesamt.