Sonnen-Energie

Olaf Nicolai (*1962) gilt international als einer der herausragenden deutschen Künstler. Mit seinen Arbeiten steht er in der Tradition der Konzeptkunst, die das Verhältnis von Idee und Bild oder von Idee und Objekt überprüft. Mit konzeptionellen Ansätzen und unterschiedlichen Medien stellt Nicolai die gewohnten Betrachtungsweisen der Alltagswelt immer wieder infrage. Theorien aus Natur- und Geisteswissenschaften übersetzt er ästhetisch-künstlerisch und lässt sie im neuen Kontext erfahrbar werden.

Die Ausstellung "Faites le travail qu’accomplit le soleil" wird in drei Räumen im Obergeschoss der Kestnergesellschaft eingerichtet. Im Zentrum steht die neue, mehrteilige Installation "Faites le travail qu’accomplit le soleil" (2010), welche die zentralen Themen der Ausstellung bündelt und titelgebend wirkt. Die große Halle wird hierbei u.a. durch eine begehbare Skulptur besetzt, die, verspiegelt und in die Höhe aufragend, in ihrer Form an die Dekonstruktion eines Sprungturms erinnert. Die raumgreifende Arbeit aktualisiert mit ihrer Verdopplung von Raum und Betrachter Konzeptionen von Bewegungs- und Körperwahrnehmung, setzt mit ihrer Höhe Assoziationen des Steigens und Fallens frei.

Die sich wie ein roter Faden durch die Ausstellung ziehenden Fragen nach Subjektkonstruktionen in der Begegnung mit Medien finden hier eine Zuspitzung in der Erweiterung in den Raum hinein. Der Titel zitiert fragmentarisch einen Satz aus Jean-Francois Lyotards Text Ökonomie des Wunsches: "Ihr müsst die Arbeit tun, die die Sonne oder das Gras leisten, wenn Euer Körper in ihnen badet." Die Verknüpfung von Natur (Sonne) und Künstlichkeit (Arbeit) verweist auf jene Paradoxien in Verbindungen von Wunsch und sozialer Welt, Bedürfnis und Entwicklung oder Arbeit und Genuss, die Olaf Nicolai wiederholt in seinen Arbeiten thematisiert hat.

Dieser Installation zur Seite steht die ebenfalls neue und erstmalig gezeigte 80-teilige Fotoarbeit "Zabriskie Point" (2010). Sie entstand nachts an dem u.a. aus dem gleichnamigen Film von Michelangelo Antonioni bekannten Aussichtspunkt im kalifornischen Death Valley Nationalpark. Um sich in kompletter Dunkelheit zu orientieren, nutzte Nicolai das Blitzlicht seiner Kamera, so dass die entstandenen Fotografien sowohl seinen Gang durch die Nacht dokumentieren, als auch die Momente markieren, in denen ein kleiner Teil der Umgebung für ihn selbst sichtbar wurde. Während die monumentale Landschaft im Dunkeln bleibt, deuten diese Bilder auf die Vermitteltheit der Realität hin, die wir uns stets – hier sinnbildlich Schritt für Schritt – in einer Reihe von Konstruktionen medialer und reflexiver Art erschließen.

Komplettiert wird die Ausstellung durch die erstmals in Deutschland präsentierte Installation "Samani" (2008). Ein Scheinwerfer schlängelt sich an einer senkrecht im Raum stehenden Stange hoch, dreht sich um sich selbst, hält inne, leuchtet nach links und rechts, nach oben und unten. Begleitet wird dies Schauspiel von einem Soundtrack, der durch die Motorengeräusche entsteht. Mit seinen animistischen Bewegungen erweckt der Apparat den Eindruck, es handle sich um ein lebendiges Wesen, das etwas sucht, vielleicht den Kontakt zum Betrachter. Lebendigkeit oder tote Materie? "Samani" wirkt hier als eine Art Echo auf die Themen der beiden anderen Arbeiten; zugleich wird das im Titel der Ausstellung gegebene Verhältnis von Sonne/Licht/Lebendigkeit und Arbeit im wahrsten Sinne des Wortes gewendet und bewegt.

Olaf Nicolais Arbeiten wurden in zahlreichen Einzelausstellungen präsentiert, zum Beispiel im Museum Thurgau (2009/2010), im Leonhardi-Museum Dresden (2007) oder im Zürcher Migros Museum für Gegenwartskunst (2001). Er war in Gruppenausstellungen vertreten wie etwa bei der Manifesta 7 (2008), der Venedig Biennale (2005) und der documenta X (1997). Seine Arbeiten finden sich in öffentlichen Sammlungen, u.a. im Museum of Modern Art, New York, der Thyssen-Bornemisza Art Contemporary, Wien, der Friedrich Christian Flick Collection, Berlin oder dem Migros Museum, Zürich.

Katalog: "Olaf Nicolai - Faites le travail qu’accomplit le soleil" erscheint im Verlag Spector Books, Leipzig mit Texten von Veit Görner, Anne von der Heiden, Kathrin Meyer

Faites le travail qu’accomplit le soleil
11. Juni bis 22. August 2010